Telefonnummer
1. Fahrgestellnummer eingeben
Prüfen Sie sofort und kostenfrei ob Ihr Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist.
2. Wir informieren Sie kostenlos
Wir informieren Sie kostenlos per Mail über Ihre Ansprüche und Chancen. Bei Bedarf steht ein Anwalt zur Beratung zur Verfügung.
3. Sie entscheiden
Sie entscheiden ob und welche Ansprüche Sie durchsetzen möchten. Bei Beauftragung kümmern wir uns um alles.
Das OLG Karlsruhe hat ein weiteren Aspekt im Abgasskandal EA 189 geklärt. Auch in diesem verfahren hat VW eine Niederlage erlitten. Das OLG hat die Argumentation, dass die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage lediglich zur Verjährungshemmung nicht rechtsmissbräuchlich ist angesehen, und der Argumentation der Konzernanwälten damit einen herben Dämpfer verpasst.
Die wesentliche Passage des Urteils lautet:
71c) Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob die Klagepartei bereits im Jahr 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte oder sie sich hierüber grob fahrlässig in Unkenntnis befunden hat. Selbst wenn die Verjährungsfrist im Jahre 2015 zu laufen begonnen hätte, ist der Ablauf der Verjährungsfrist jedenfalls durch die Anmeldung des Klägers zum Klageregister der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 1/18, am 20.12.2018 (§ 204 Abs. 1Nr. 1 a BGB) sowie im Anschluss durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) gehemmt.
72aa) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, gehemmt, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage.
73Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
74Der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 1/18, liegen dieselben Feststellungsziele wie der vorliegenden Klage, nämlich eine sittenwidrige Schädigung der Beklagten durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeuges, das mit dem Motor EA 189 und einer vom Kraftfahrtbundesamt durch Bescheid vom 15.10.2015 beanstandeten, unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, zugrunde.
75Vorliegend hat sich die Klagepartei am 20.12.2018 mit E-Mail an das Bundesamt für Justiz zum Klageregister zu der Musterfeststellungsklage angemeldet (Anlage R 01(1), Anlagenheft Kläger I 407 ff.). Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde damit gehemmt.
76bb) Soweit die Klagepartei die Anmeldung zum Klageregister am 20.09.2019 zurückgenommen hat, endet nach § 204 Abs. 2 BGB die Hemmung erst sechs Monate nach der Rücknahme. Vorliegend hat die Klagepartei noch im Oktober 2019 beim Landgericht Freiburg Klage eingereicht, die der Beklagten noch im November 2019 zugestellt wurde. Hierdurch ist der Ablauf der Verjährung erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
77cc) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage habe die Verjährung nicht hemmen können, da sich nach der erfolgten Rücknahme die Inanspruchnahme des Musterfeststellungsverfahrens als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) darstelle.
78(1) Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister einer Musterfeststellungsklage und der Geltendmachung der Ansprüche der Klagepartei im Wege der Individualklage bis zu dem in § 608 Abs. 3 ZPO geregelten Zeitpunkt bewusst geschaffen und für diesen Fall eine nachlaufende Verjährungshemmung von sechsmonatiger Dauer vorgesehen (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Damit ist dem Verbraucher ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet worden, seine Entscheidung, in welcher Weise Rechtsschutz gesucht wird, zu ändern und gleichwohl für einen gewissen Zeitraum von der durch die Anmeldung zum Klageregister bewirkten Verjährungshemmung nachlaufend zu profitieren.
79Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, enthalten die Vorschriften über die Verjährung eine formale Regelung, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellt worden ist. Ihre Auslegung muss sich daher grundsätzlich eng an den Wortlaut des Gesetzes anlehnen (BGH, Urteil vom 06. Juli 1993 – VI ZR 306/92 juris Rn. 18 unter Hinweis auf BGHZ 48, 125, 134; 53, 43, 46 f.; vgl. auch BGHZ 45, 223, 230).
80Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall auch keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (BGH, Urteil vom 25. 05. 2016 – IV ZR 211/15, juris; BGH, Urteile vom 28.10.2015 – IV ZR 405/14, und – IV ZR 526/14, juris; BGH, Urteil vom 06.07.1993 – VI ZR 306/92, juris). Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchstatbestandes bleibt hiernach nur ein sehr enger Anwendungsspielraum.
81(2) Gesichtspunkte, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.10. 2015 – IV ZR 526/14, juris; BGH, Urteil vom 25.05.2016 – IV ZR 211/15, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 06.07.1993 – VI ZR 306/92, juris; RG, RGZ 66, 412 ff.), liegen hier nicht vor.
Das Urteil OLG Karlsruhe (Der Senat), Urteil vom 13.01.2021 – 13 U 232/20 im gesamten lautet:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau (8 O 122/19) vom 13.03.2020 im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 32.803,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, maximal 4 Prozent, aus 33.927,86 Euro seit 28.11.2019 bis 10.12.2020 und aus 32.803,31 Euro seit 11.12.2020 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW, Audi Q 3, 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …53, zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere Schäden (Berufungsantrag Ziff. 2) als unzulässig.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte 74% und die Klagepartei 26%. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt die Beklagte 71% und die Klagepartei 29%.
V. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können jeweils die Vollstreckung der Gegenseite abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des aus den Urteilen jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
A.
1Die Klagepartei begehrt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Rückgängigmachung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrages über ein von der Audi AG hergestelltes Fahrzeug im Zusammenhang mit dem sog. Dieselabgasskandal. Das Fahrzeug ist mit dem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA 189 ausgestattet.
2Die Klagepartei erwarb am 06.08.2012 das Fahrzeug der Marke Audi Q 3 2,0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …53 als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 45.639,26 Euro. In das Klägerfahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 eingebaut.
3In den Fahrzeugen des streitigen Typs war – beginnend im Laufe des Jahres 2008 – eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1), ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine oder eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet.
4Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten und der AUDI AG auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte hat den Haltern von betroffenen Fahrzeugen das Aufspielen eines Software-Updates angeboten, mit denen die Software entfernt werden sollte.
5Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch angenommen und die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klagepartei unter anderem zur Erstattung der Erwerbskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nämlich zur Zahlung von 33.927,86 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4%-Punkten seit 16.11.2012 verurteilt Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
6Hiergegen haben die Klagepartei und die Beklagte Berufung eingelegt.
7Soweit die Klagepartei mit ihrer Berufung zunächst ihren Hauptantrag auf Feststellung der Haftung der Beklagten weiterverfolgt hat, hat sie zuletzt stattdessen ihre ursprünglichen Hilfsanträge auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges, Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere Schäden und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.
8Die Klagepartei beantragt zuletzt,
1.Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei € 45.639,26 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4%-Punkten seit dem 16.11.2012 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi Q3 2.0 TDI, FIN …53.
2.Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei das Fahrzeug Audi Q3 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …53) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.
3.Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4.Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.791,74 freizustellen.
die Berufung der Klagepartei zurückzuweisen.
10Die Beklagte beantragt ferner,
das am 13. März 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau, Az.: 8 O 122/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
12Die Parteien haben im Berufungsverfahren im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll über den Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung Bezug genommen.
B.
13Die zulässige Berufung der Klagepartei ist unbegründet. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet.
14Soweit die Klagepartei zunächst mit der Berufung ihren ursprünglichen Antrag auf Feststellung der Haftung der Beklagten als Primärantrag geltend gemacht hat, hat sie ihre hierauf gerichtete Berufung wirksam zurückgenommen (§ 516 Abs. 1 ZPO) und nur noch den zunächst als Hilfsantrag gestellten Leistungsantrag, den Antrag auf Feststellung der Haftung für weitere Schäden und auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie den Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.
15Die Beklagte hat der Klagepartei Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeuges die Erwerbskosten abzüglich einer Nutzungsentschädigung zu erstatten (I). Die Beklagte ist nicht zur Zahlung von Deliktszinsen (II), sondern nur zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen, der Höhe nach beschränkt auf maximal 4%, verpflichtet. Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet, ist nicht begründet (III). Der Antrag auf Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere Schäden ist nicht zulässig (IV). Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann die Klagepartei nicht verlangen (V).
I.
16Die Beklagte haftet der Klagepartei aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB. Der Senat legt der Berechnung des im Rahmen des Vorteilsausgleichs abzuziehenden Nutzungsersatzes (§ 249 BGB) eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km sowie den aktuellen Kilometerstand zugrunde, mit der Folge, dass eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 12.835,95 Euro als Vorteil anzurechnen ist. Auf dieser Grundlage kann die Klagepartei von der Beklagten Zahlung von 32.803,31 Euro Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung dieses Fahrzeugs verlangen.
171. Das Verhalten der Beklagten stellt sich als objektiv sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB dar.
18Wie dem auf Dieselverfahren spezialisierten Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist, hat die Beklagte auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge selbst oder bestimmungsgemäß über zu ihrem Konzern gehörenden Unternehmen in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeuges handelt. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen. Unter Zugrundelegung dieser Umstände ist das Verhalten der Beklagten nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren. (vgl. hierzu im einzelnen BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 14 – 28. Senat, Urteile vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 21 – 27, 42 – 51; vom 06.11.2019 – 13 U 12/19, juris Rn. 26 – 32, 45 – 56; Hinweis-Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, juris Rn. 9 – 16, 29 – 41).
192. Die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software ist von dem Vorstand oder einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter, wenn nicht selbst, so zumindest mit seiner Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden. Dieses Verhalten ist der Beklagten zuzurechnen (§ 31 BGB vgl. hierzu im einzelnen, BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 29 – 43).
20Zwar hat insoweit grundsätzlich der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm. Hier trifft die Beklagte allerdings eine sekundäre Darlegungslast (vgl. hierzu im einzelnen BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 35 – 38).
21a) Die für die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 35) hat vorliegend hinreichende Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen.
22Sie hat unter anderem unter Bezugnahme auf Presseberichte und Ermittlungsergebnisse vorgetragen (AS. I 6, I 122, I 124, I 142, I 198 f., I 202 – 206, I 219 – 229), der vormalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, Dr. M… W…, und weitere namentlich benannte Führungspersönlichkeiten der Beklagten und der Audi AG hätten bereits seit Beginn an Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerung gehabt und die Weiterentwicklung einer von der Audi AG entwickelten Abschalteinrichtung und ihre Installation in Fahrzeuge des Konzerns der Beklagten in Kenntnis der Schädigung ihrer Kunden ab dem Jahr 2008 gebilligt. Dr. M… W…und Dr. U… H…, Entwicklungschef bei der Beklagten und später Vorstand der Audi AG, hätten das Ziel verfolgt, aus der Volkswagen AG den größten und mächtigsten Automobilhersteller der Welt zu machen. Da es sich bis zum Jahr 2008 herausgestellt habe, dass weder die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasnormen noch die eingestellten Kosten eingehalten werden könnten, hätten sie und hochrangige Ingenieure sich im Gewinninteresse dazu entschlossen, die im Streit stehende Manipulationssoftware in Fahrzeuge des VW Konzerns einzubauen. Im Jahr 2011 habe der damalige Leiter der Aggregateentwicklung der Marke Volkswagen und Markenvorstand der Beklagten, H…N…, ausdrücklich vor illegalen Praktiken mit Abgaswerten gewarnt. Dr. M… W… habe letztlich nach Bekanntwerden der Manipulation ausdrücklich die volle Verantwortung für diesen Betrug übernommen.
23Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die riskante Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die für eine Diesel-Motorengeneration konzipiert war, welche flächendeckend konzernweit in vielen Millionen Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es mehr als fernliegend, dass die Entscheidung für eine greifbar rechtswidrige Software ohne Einbindung des Vorstands erfolgt und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 – 27 U 10/18, juris Rn. 26; Heese, NJW 2019, S. 257 <260 re.Sp. 2. Abs.>). Es handelt sich der Sache nach um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen, dem bei den untergeordneten Konstrukteuren kein in Anbetracht der arbeits- und strafrechtlichen Risiken annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht. Für eine Kenntnis eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters (§ 31 BGB) spricht ferner der Umstand, dass – wie dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist – die Software durch einen Zulieferer programmiert und geliefert wurde. Insoweit ist in einem ordnungsgemäß geführten Unternehmen zu erwarten, dass die Anforderungen an die Software mit der Bestellung in Form einer Leistungsbeschreibung niedergelegt sind. Weil es sich bei der Motorsteuerung um ein Kernstück des Motors handelt, widerspricht es jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass insoweit die Führungsebene des Unternehmens nicht eingebunden wurde. Wer die Zustimmung zur Entwicklung und zum Einsatz einer Software in der Motorsteuerung für Millionen von Neufahrzeugen erteilt, muss eine wichtige Funktion in einem Unternehmen haben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein. Soweit es sich dabei nicht um einen Vorstand handelt, liegen im Hinblick auf das Gewicht der Entscheidung erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um einen Repräsentanten im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt, weil er Entscheidungen trifft, die üblicherweise der Unternehmensführung vorbehalten sind (Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 65 – 69).
24b) Wegen der besonderen Schwierigkeiten der Klagepartei, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen sich die Kenntnis eines bestimmten Vorstandsmitglieds ergibt, ist die Einlassung der Beklagten, nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung und Verwendung der Software in Auftrag gegeben oder davon gewusst habe, nicht ausreichend. Der Beklagten wäre es jedenfalls möglich und zumutbar gewesen, mitzuteilen, welche Ermittlungen sie mit welchem Ergebnis angestellt habe und über welche Erkenntnisse sie insoweit verfüge (vgl. im einzelnen BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 39– 42. Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 72 – 73).
25Die Beklagte ist somit der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen, weshalb die Behauptung der Klägerseite, die Installation der Abschalteinrichtung sei mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Mitglieder des Vorstandes oder Repräsentanten der Beklagten erfolgt, als zugestanden gilt, § 138Abs. 3 ZPO.
26c) Im Hinblick auf den mit dem Bestreiten der Beklagten stets verbundenen einschränkenden Hinweis, dass dieses auf den Erkenntnissen nach dem jeweiligen Stand der internen Ermittlungen beruhe, handelt es sich der Sache nach zudem um eine Erklärung mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO. Selbst wenn man die hier der Beklagten obliegende sekundäre Darlegungslast ausblendete, stellte der bloße Hinweis, die Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse geliefert, dass Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Manipulationssoftware beteiligt waren oder diese gebilligt hätten, kein hinreichendes Bestreiten dar. Denn nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf ihre Organe an, nicht hingegen auf Kenntnisse früherer Organmitglieder (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris Rn. 22; Urteil vom 09.07.1987 – III ZR 229/85, juris Rn. 31). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung trifft die Partei – welche mit Nichtwissen bestreiten will – die Pflicht, ihr mögliche Informationen von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind. Auch sonstige Informationen aus dem eigenen Unternehmensbereich, etwa aus archivierten Aktenbeständen, sind heranzuziehen (BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris Rn. 21). Das Bestreiten mit Nichtwissen trotz Nachforschungspflicht ist nur dann zulässig, wenn sich für die Partei nach Einholen der Erkundigungen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die Partei nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht. Erforderlich ist, dass die mit Nichtwissen bestreitende Partei das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 22.04.2016 – V ZR 256/14, juris Rn. 20; Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris Rn. 20 ff.), das heißt, wenn sie sich auf den Einwand berufen will, es lägen widersprechende Aussagen vor, diese auch wiedergibt (BGH, Urteil vom 15.11.1989 – VIII ZR 46/89, juris Rn. 16) oder, wenn sie sich auf die Vernichtung von Akten beruft, sich nicht pauschal auf den Ablauf gesetzlicher Aufbewahrungsfristen berufen kann, sondern die tatsächliche Vernichtung durch näheren Vortrag glaubhaft macht (BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 95/93, juris Rn. 21).
27Wenn aber bereits für ein zulässiges Bestreiten mit Nichtwissen erhöhte Darlegungsanforderungen hinsichtlich der Erfolglosigkeit der Nachforschungen gestellt werden, gilt dies erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die mit Nichtwissen bestreitende Beklagte überdies eine sekundäre Darlegungslast trifft.
28d) Soweit sich die Beklagte damit verteidigt, die von der Klagepartei benannten oder als Verantwortliche in Betracht kommende Personen seien keine „Organe“, hat sie keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass letzteres für die Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB (BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96, juris Rn. 18) nicht notwendig ist, käme eine Haftung der Beklagten für das Verhalten dieser Personen jedenfalls nach §§ 826, 831 BGB in Betracht. Danach haftet der Geschäftsherr für einen Verrichtungsgehilfen, wenn er sich bezüglich dessen Auswahl und Überwachung nicht entlasten kann. Für die Frage einer sittenwidrigen Schädigung durch diese Personen würde letztlich nichts grundsätzlich anderes gelten als für die vormaligen Leiter der Entwicklungsabteilung und den Vorstand.
29Selbst wenn man daher – entgegen der Auffassung des Senats – davon ausginge, dass die Voraussetzungen von § 31 BGB nicht erfüllt wären, stünde der Klägerseite gegen die Beklagte jedenfalls ein gleichartiger Schadensersatzanspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1, § 826 BGB zu.
30Es steht jedenfalls fest, dass die Beklagte nach allen denkbaren Sachverhaltsalternativen entweder nach §§ 826, 31 BGB haftet oder nach §§ 831, 826 BGB: Die Entscheidung für den Einsatz der Software in den für die Serienproduktion vorgesehenen Motoren muss durch eine bei der Beklagten beschäftigte Person getroffen worden sein. Sollte dies auf Veranlassung oder zumindest mit Kenntnis und Billigung eines Vorstandsmitglieds oder eines Repräsentanten im Sinn des § 31 BGB erfolgt sein, wäre die Haftung der Beklagten nach § 826 BGB gegeben. Repräsentanten sind Angestellte, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96, juris Rn. 18). Mit der Haftung gemäß §§ 826, 31 BGB muss die Beklagte mithin für alle selbständigen Mitarbeiter einstehen. Sollte die Entscheidung hingegen auf Arbeitsebene ohne Einbeziehung der Unternehmensleitung getroffen worden sein, haftete die Beklagte für diese Mitarbeiter gemäß §§ 831, 826 BGB. Dass die Entscheidung für den serienmäßigen Einsatz der Software durch Personen, die keiner der beiden genannten Gruppen angehören, getroffen worden sein könnte, ist ausgeschlossen (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.12.2018 – 14 U 60/18, Rn. 34 f.). Wenn die allein in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten sämtlich geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch zu tragen, ist es in einer solchen Situation prozessrechtlich zulässig, auf alternativer Tatsachenbasis zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.1987 – VI ZR 188/86, juris Rn. 12). So liegt der Fall hier (vgl. auch LG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2019 – 23 O 178/18, juris Rn. 98 ff.). Unerheblich ist insoweit, dass die Klägerseite konkret zu § 831 BGB wenig vorgetragen hat, denn die Tatbestandsvoraussetzungen ergeben sich hier bereits aus den feststehenden tatsächlichen Umständen:
31aa) Soweit eine Haftung nach §§ 826, 31 BGB ausscheidet, müsste ein unselbständiger, weisungsgebundener Arbeitnehmer die Entscheidung getroffen haben. Ein solcher wäre im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeit Verrichtungsgehilfe im Sinne des § 831 BGB (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 831 Rn. 6).
32bb) Auch der Umstand, dass es sich – im vorliegenden Fall eher fernliegend – um ein eigenmächtiges Verhalten des Arbeitnehmers handelte, hinderte die Haftung des Arbeitgebers nicht: Zwar muss der Schaden gerade „in Ausführung der Verrichtung“ erfolgen und nicht lediglich bei deren Gelegenheit. Dieses Tatbestandsmerkmal ist aber bereits dann erfüllt, wenn der Gehilfe innerhalb des von ihm übernommenen Pflichtenkreises handelt, das heißt, nach Art und Zweck der ihm vom Geschäftsherrn aufgetragenen Verrichtung ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen dieser und der schädigenden Handlung besteht. Selbst vorsätzliche unerlaubte Handlungen des Verrichtungsgehilfen stehen noch in unmittelbarem Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen, wenn sie gerade die übertragene Hauptpflicht verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1997 – I ZR 36/95, juris Rn. 31; Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 831 Rn. 9). Selbst ein bewusstes Überschreiten des Auftrags oder der bewusste Missbrauch einer Vollmacht schließen die Haftung nicht aus, solange die Handlung noch objektiv in engem Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen steht (BGH, Urteil vom 30.10.1967 – VII ZR 82/65, juris Rn. 19; Sprau, a.a.O.).
33Hier kommt hinsichtlich der Installation und Freigabe der Software ausschließlich das Handeln von Mitarbeitern in Betracht, die mit der Motorenentwicklung betraut waren. Diese haben aber auch bei Implementierung einer rechtswidrigen Funktion in der Motorsteuerungssoftware jedenfalls im Rahmen der ihnen gerade übertragenen Hauptpflicht gehandelt, nämlich der Motorenentwicklung.
34cc) § 831 BGB setzt weiterhin die widerrechtliche Zufügung eines Schadens voraus. Grundsätzlich genügt, dass der Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung rechtswidrig erfüllt hat. Auf ein Verschulden kommt es zwar grundsätzlich nicht an. Wenn aber der deliktische Tatbestand, auf den sich die Haftung nach § 831 BGB bezieht, besondere subjektive Elemente voraussetzt, müssen diese auch beim Verrichtungsgehilfen gegeben sein (vgl. Sprau, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 831 Rn. 8). Eine Haftung nach §§ 831, 826 BGB erfordert daher beim Verrichtungsgehilfen sowohl Schädigungsvorsatz als auch – hiervon getrennt festzustellen – die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, juris Rn. 11; Urteil vom 23.03.2010 – VI ZR 57/09, juris Rn. 38).
35Die in Betracht kommenden Personen haben die Kunden jedenfalls vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Dies ergibt sich hier zwingend aus den feststehenden Tatsachen: Den unmittelbar mit der Motorentwicklung betrauten Mitarbeitern musste bereits aufgrund der Funktionsweise der Software klar sein, dass es sich um eine Umgehung der Emissionsvorschriften handelte und der Einsatz der Software mithin rechtswidrig war. Wenn man unterstellt, dass die Handelnden die Leitungsebene nicht eingebunden haben – sonst haftete die Beklagte nach §§ 826, 31 BGB -, obwohl es sich um eine wesentliche Entscheidung der Emissionsstrategie für die neue Motorengeneration handelte, für die regelmäßig nicht eine nachgeordnete Ebene die Verantwortung trägt, lässt dies nur den Schluss zu, dass ihnen die Problematik der Software bewusst war und sie deshalb die Verwendung verheimlichten.
36Die weiteren Abläufe von der Serienproduktion über die Typgenehmigung bis hin zum Verkauf sind offensichtlich, so dass die Handelnden mit der Entscheidung für die Verwendung der Abschalteinrichtung auch die Täuschung und Schädigung der späteren Erwerber und Folgeerwerber in ihren Vorsatz aufgenommen haben.
37Aus den Umständen ergibt sich auch die Sittenwidrigkeit des Handelns und die Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände. Hier kann bereits aus der bewussten Täuschung der Erwerber auf die Sittenwidrigkeit geschlossen werden (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI 536/15, juris Rn.16). Auch die für die Beurteilung der Handlung als sittenwidrig maßgeblichen objektiven Umstände waren den Handelnden bekannt. Dass hier möglicherweise anders als auf der Führungsebene andere Motive als die Gewinnmaximierung für das Unternehmen leitend gewesen sein mögen, ändert nichts an der Gesamtbeurteilung des Verhaltens als besonders verwerflich. Die Täuschung rechtfertigende Motive sind insoweit nicht denkbar.
38dd) Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB zulässigen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht angetreten.
393. Der Klagepartei ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB.
40a) Der Schaden der Klagepartei liegt in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug (vgl. im einzelnen hierzu BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 44 – 48, 56 – 59).
41b) Die Klagepartei ist durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen.
42Die Klagepartei hat den ihr obliegenden Beweis erbracht, dass sie in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, § 286 ZPO.
43aa) Für die Annahme des Kausalzusammenhangs zwischen Irrtum und Abgabe der Willenserklärung genügt es nach der höchstrichterlichen zivilgerichtlichen Rechtsprechung für den Fall der sittenwidrigen Vertragserschleichung, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1995 – V ZR 34/94, juris Rn. 17).
44Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Kraftfahrzeugkäufer – wie es die Klagepartei auch für sich behauptet – vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Denn Zweck des Autokaufs ist grundsätzlich – abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen – der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 51 – 55; Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 36; Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 12/19 juris Rn. 41).
45bb) Auch das Verhalten der Klagepartei nach Bekanntwerden der Dieselthematik deutet nicht auf eine fehlende Kausalität zwischen der Täuschungshandlung der Beklagten und dem Abschluss des Kaufvertrages hin. Daraus, dass die Klagepartei das Fahrzeug nach erfolgtem Einschreiten des Kraftfahrt-Bundesamtes schlicht weiter genutzt und – wie viele Käufer – erst im Jahr 2018 oder noch später Klage erhoben hat, lässt sich nicht darauf schließen, dass die Klagepartei dem Einbau der streitgegenständlichen Umschaltlogik und den damit drohenden zulassungsrechtlichen Nachteilen im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses gleichgültig gegenübergestanden hätte. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Widerlegung der Kausalitätsvermutung im Falle der unterlassenen Aufklärung über Rückvergütungen (st. Rspr., BGH, Urteil vom 08.05.2012 – XI ZR 262/10, juris Rn. 50 ff.) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Anders als dort steht hier nicht der Erwerb vergleichbarer Produkte in Rede, aus deren Behalten sich relevante Indizien für die fehlende Kausalität ergeben könnten.
46Gegen die Ursächlichkeit der Täuschung der Beklagten für den Abschluss des Kaufvertrages streitet auch nicht, dass die Klagepartei erst im Anschluss an die vermehrte Diskussion über Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nach einer Möglichkeit gesucht hat, um den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Aus einem derartigen Motiv für die Klageerhebung und möglichen weiteren Gründen, die gegen das Behalten des Fahrzeuges sprechen, lässt sich nach Überzeugung des Senats (§ 286 Abs. 1 ZPO) nicht ableiten, dass die Klagepartei an der streitgegenständlichen Umschaltlogik keinen Anstoß genommen hätte, wenn sie beim Abschluss des Kaufvertrages von deren Einbau in das Fahrzeug gewusst hätte. Vielmehr hält es der Senat für fernliegend, dass die Klagepartei das Fahrzeug in Kenntnis der Umschaltlogik und der damit verbundenen Ungewissheit gekauft hätte, obwohl das Fahrzeuges möglicherweise stillgelegt wird.
474. Ein Schädigungsvorsatz der für die Beklagte als verfassungsmäßig berufenen Vertreter (§ 31 BGB) handelnden Personen, die nach den getroffenen Feststellungen Kenntnis von der sittenwidrigen strategischen Unternehmensentscheidung hatten, liegt unter Zugrundelegung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (vgl. im einzelnen BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 61 – 62. Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 53 – 58) vor.
48Für das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes kommt es auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeuges gemäß dem vorgefassten Entschluss, die unzulässige Abschalteinrichtung serienmäßig einzusetzen, an.
49Nach dem mangels substantiierten Bestreitens der Beklagten zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klagepartei (siehe oben) kannten die für die Beklagte handelnden Vorstände (§ 31 BGB) oder ihnen gleichzustellenden Repräsentanten die grundlegende und mit der bewussten Täuschung des KBA verbundene strategische Entscheidung in Bezug auf die Entwicklung und Verwendung der unzulässigen Software und setzten sie jahrelang um.
50Schon nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ihnen als für die zentrale Aufgabe der Entwicklung und des Inverkehrbringens der Fahrzeuge zuständigem Organ oder zuständigem und verfassungsmäßig berufenem Vertreter (§ 31 BGB) bewusst war, in Kenntnis des Risikos einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge werde niemand – ohne einen erheblichen, dies berücksichtigenden Abschlag vom Kaufpreis – ein damit belastetes Fahrzeug erwerben. Dass sie dabei darauf vertraut haben mögen, das sittenwidrige Handeln werde nicht aufgedeckt werden, schließt den Vorsatz nicht aus, weil der Schaden im ungewollten Vertragsschluss, nicht dagegen in einer etwaigen Betriebsuntersagung liegt (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn 63).
515. Die Beklagte hat gemäß §§ 826, 249 ff. BGB der Klagepartei sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.
52a) Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu, das heißt, Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, juris Rn. 41; Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14, juris Rn. 28; Tiedtke, DB 1998, S. 1019).
53Die Klagepartei hat sich im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen. Soweit prinzipielle Einwände gegen die Berücksichtigung der Nutzung des Fahrzeugs als Abzugsposition im Rahmen der deliktischen Haftung vorgebracht werden, vermögen diese nicht zu überzeugen (vgl. im einzelnen, BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 64 – 77; Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 110 – 118).
54Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dürfen dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren (BGH, Urteil vom 12.03.2009 – VII ZR 26/06, juris Rn. 16; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, Vor § 249 Rn. 71). Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an. Insbesondere bedarf es, anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB, keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH, Urteil vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14, juris Rn. 23 f.).
55Danach kann die Klagepartei vorliegend Erstattung der von ihr für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kosten abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs an die Beklagte verlangen.
56b) Die Rechtsprechung geht insoweit für bewegliche Sachen von einer linearen Wertminderung aus (vgl. BGH, Urteil vom 31.03.2006 – V ZR 51/05, juris Rn. 12 f.; Seichter, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Auflage 2017, § 281 Rn. 72 f.), das heißt, der für jeden gefahrenen Kilometer in Abzug zu bringende Betrag ist in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte Bruttokaufpreis durch die im Kaufzeitpunkt zu erwartende Rest- (beim Gebrauchtwagenkauf) bzw. Gesamtlaufleistung (beim Neuwagenkauf) geteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14, juris Rn. 3).
57Im Rahmen der Vorteilsausgleichung kommt es auf die aus dem erworbenen Fahrzeug (tatsächlich) gezogenen Vorteile an. Diese liegen darin, dass die Klagepartei das Fahrzeug genutzt hat. Darauf, ob es hätte in Betrieb genommen werden dürfen, kommt es nicht an (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 81). Dass der Mangel die tatsächliche Nutzung erheblich eingeschränkt hat (vgl. Reinking/Eggert, Autokauf 14. Auflage 2020, Rn. 1173), ist weder ersichtlich noch geht dies aus dem Sachvortrag der Klagepartei hervor.
58c) Der Senat schätzt die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs (§ 287 ZPO) auf 250.000 km. Zu berücksichtigen ist, dass die Fahrleistung, die ein Fahrzeug in seiner Lebensdauer zurücklegen kann, von verschiedenen Faktoren abhängig ist, nicht nur von der Lebensdauer des Motors, sondern auch der anderen Bauteile. Die Lebensdauer des Motors ist unter anderem von Größe und Leistung des Motors und insbesondere auch vom Nutzungsverhalten abhängig. Für Dieselfahrzeuge dieser Preisklasse und Qualität wird die durchschnittliche Laufleistung in der Rechtsprechung wie hier überwiegend auf 250.000 km geschätzt (vgl. die Übersicht bei Reinking/Eggert, Autokauf, 14. Auflage 2020, Rn. 3574; BGH, Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14, juris Rn. 3 (BMW X5, 3.0d A); ebenso Senat, Urteil vom 06.11.2019 – 13 U 37/19, juris Rn. 108; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.12.2018 – 17 U 4/18, juris Rn. 50). Individuelle Leistungsmerkmale, die dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zur Zugrundelegung einer höheren Gesamtlaufleistung zwängen, zeigt die Klagepartei nicht auf. Es bedarf daher auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
59d) Die im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigende Entschädigung für die gezogenen Nutzungen berechnet der Senat nach der üblichen Formel:
60Bruttokaufpreis * gefahrene Kilometer / Gesamtlaufleistung.
61Der Kilometerstand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über die Berufung beträgt unstreitig 70.312 km und die vom Kaufpreis abzuziehende Nutzungsentschädigung somit auf 12.835,95 Euro (= 45.639,26 Euro * 70.312 km / 250.000 km).
626. Der mit Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug entstandene Schadensersatzanspruch ist auch nicht dadurch erloschen, dass die Klagepartei das von der Beklagten angebotene Software-Update zwischenzeitlich durchführen ließ.
63Selbst wenn das Update das Fahrzeug der Klagepartei in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt hat – was streitig ist -, wäre der Schadensersatzanspruch nur erloschen, wenn die Entgegennahme des Updates als Annahme an Erfüllungs statt gemäß § 364 Abs. 1 BGB auszulegen wäre. Etwaige verbleibende Zweifel gehen insoweit zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
64Eine solche Auslegung scheitert hier schon daran, dass die Beklagte das Update nicht als Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs der Klägerseite angeboten hat, sondern um der Auflage des Kraftfahrt-Bundesamts Genüge zu tun. Dies folgt bereits daraus, dass sie durchgehend jegliche Schadensersatzansprüche der Käufer, insbesondere auch der Klagepartei, bestritten und behauptet hat, das Fahrzeug sei auch mit der ursprünglichen Software mangelfrei (vgl. allerdings zur Annahme als vertragliche Nacherfüllung: OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2018 – 18 U 134/17, juris Rn. 17). Auch lässt sich die Entgegennahme der Leistung durch die Klägerseite im vorliegenden Fall nicht als Annahme an Erfüllungs statt deuten. Angesichts des bekannten Bescheids des Kraftfahrt-Bundesamts liegt es vom maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont nahe, dass die Klagepartei das Update aufspielen ließ, um die Weiternutzung ihres Fahrzeugs nicht zu gefährden. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Schadensersatzanspruch der Klägerseite auf eine gänzlich andere Leistung, nämlich die Rückgängigmachung der Kaufvertragsfolgen gerichtet ist. Mit der Entgegennahme einer behördlich angeordneten „Nachbesserungsmaßnahme“ wird ein objektiver Empfänger nicht davon ausgehen, die Klagepartei wolle auf die bestehenden weitergehenden Ansprüche verzichten, zumal die Beklagte das Aufspielen des Updates im Hinblick auf die Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts auch nicht von einer solchen Erklärung hätte abhängig machen können.
657. Die Beklagte, die für das Vorliegen der Voraussetzungen der Verjährung darlegungs- und beweispflichtig ist, kann sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB berufen.
66Es genügt insoweit, dass die Einrede der Verjährung einmal erhoben wird. Einer ausdrücklichen Wiederholung der Einrede der Verjährung in der zweiten Instanz bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 1988 – IX ZR 33/88 -; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. April 2020 – 10 U 466/19 -, Rn. 37, juris).
67a) Für Schadensersatzansprüche nach §§ 826, 31 BGB und nach § 831 BGB in Verbindung mit § 826 BGB gilt die regelmäßige 3-jährige Verjährungsfrist nach § 195BGB (vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2012, II ZR 177/11, juris Rn. 14). Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller Kenntnis der den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners hat oder die Kenntnis infolge grober Fahrlässigkeit nicht hat.
68b) Die erforderliche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich ist. Weder ist es notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an (BGH, Urteil vom 15. November 2011 – XI ZR 54/09, juris Rn. 52).
69Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (BGH, Urteil vom 15. November 2011 – XI ZR 54/09, juris, Rn. 53). Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus (BGH, Urteil vom 15.03.2016 – XI ZR 122/14, juris Rn. 34; BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/09, juris Rn. 13). Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber die Augen verschlossen hat.
70Nach gefestigter Rechtsprechung besteht für den Gläubiger keine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten (BGH, Urteil vom 15.03.2016, aaO, Rn. 34; BGH, Urteil vom 10.11.2009, aaO, Rn. 15). Die Rechtslage entspricht der Regelung in § 932 Abs. 2 BGB, die ebenso wie § 199 Abs. 1 BGB an die grob fahrlässige Unkenntnis einer Partei anknüpft (BGH, Urteil vom 10.11.2009, aaO, Rn. 15). Das Unterlassen von Ermittlungen muss nach Lage des Falles als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (BGH, Urteil vom 15.03.2016, aaO, Rn. 34). Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung einer groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (BGH, Urteil vom 10.11.2009, aaO, Rn. 16). Das Unterlassen einer Nachfrage ist ebenso wie in den Fällen des § 932 Abs. 2 BGB auch nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 10.11.2009, aaO, Rn. 16). Soweit die Beklagte geltend macht, es sei klar gewesen, dass alle EA 189 Dieselmotoren der Beklagten betroffen gewesen seien, hat die Beklagte weder nachgewiesen, dass dies der Klagepartei bekannt war noch dass die Klagepartei wusste, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem solchen Motor ausgestattet ist.
71c) Dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob die Klagepartei bereits im Jahr 2015 Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte oder sie sich hierüber grob fahrlässig in Unkenntnis befunden hat. Selbst wenn die Verjährungsfrist im Jahre 2015 zu laufen begonnen hätte, ist der Ablauf der Verjährungsfrist jedenfalls durch die Anmeldung des Klägers zum Klageregister der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 1/18, am 20.12.2018 (§ 204 Abs. 1Nr. 1 a BGB) sowie im Anschluss durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) gehemmt.
72aa) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 a BGB wird die Verjährung durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, gehemmt, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage.
73Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
74Der Musterfeststellungsklage vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 1/18, liegen dieselben Feststellungsziele wie der vorliegenden Klage, nämlich eine sittenwidrige Schädigung der Beklagten durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeuges, das mit dem Motor EA 189 und einer vom Kraftfahrtbundesamt durch Bescheid vom 15.10.2015 beanstandeten, unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, zugrunde.
75Vorliegend hat sich die Klagepartei am 20.12.2018 mit E-Mail an das Bundesamt für Justiz zum Klageregister zu der Musterfeststellungsklage angemeldet (Anlage R 01(1), Anlagenheft Kläger I 407 ff.). Der Ablauf der Verjährungsfrist wurde damit gehemmt.
76bb) Soweit die Klagepartei die Anmeldung zum Klageregister am 20.09.2019 zurückgenommen hat, endet nach § 204 Abs. 2 BGB die Hemmung erst sechs Monate nach der Rücknahme. Vorliegend hat die Klagepartei noch im Oktober 2019 beim Landgericht Freiburg Klage eingereicht, die der Beklagten noch im November 2019 zugestellt wurde. Hierdurch ist der Ablauf der Verjährung erneut nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
77cc) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, die Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage habe die Verjährung nicht hemmen können, da sich nach der erfolgten Rücknahme die Inanspruchnahme des Musterfeststellungsverfahrens als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) darstelle.
78(1) Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister einer Musterfeststellungsklage und der Geltendmachung der Ansprüche der Klagepartei im Wege der Individualklage bis zu dem in § 608 Abs. 3 ZPO geregelten Zeitpunkt bewusst geschaffen und für diesen Fall eine nachlaufende Verjährungshemmung von sechsmonatiger Dauer vorgesehen (§ 204 Abs. 2 S. 1 BGB). Damit ist dem Verbraucher ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet worden, seine Entscheidung, in welcher Weise Rechtsschutz gesucht wird, zu ändern und gleichwohl für einen gewissen Zeitraum von der durch die Anmeldung zum Klageregister bewirkten Verjährungshemmung nachlaufend zu profitieren.
79Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, enthalten die Vorschriften über die Verjährung eine formale Regelung, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellt worden ist. Ihre Auslegung muss sich daher grundsätzlich eng an den Wortlaut des Gesetzes anlehnen (BGH, Urteil vom 06. Juli 1993 – VI ZR 306/92 juris Rn. 18 unter Hinweis auf BGHZ 48, 125, 134; 53, 43, 46 f.; vgl. auch BGHZ 45, 223, 230).
80Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall auch keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (BGH, Urteil vom 25. 05. 2016 – IV ZR 211/15, juris; BGH, Urteile vom 28.10.2015 – IV ZR 405/14, und – IV ZR 526/14, juris; BGH, Urteil vom 06.07.1993 – VI ZR 306/92, juris). Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchstatbestandes bleibt hiernach nur ein sehr enger Anwendungsspielraum.
81(2) Gesichtspunkte, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigen könnten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.10. 2015 – IV ZR 526/14, juris; BGH, Urteil vom 25.05.2016 – IV ZR 211/15, juris Rn. 17; BGH, Urteil vom 06.07.1993 – VI ZR 306/92, juris; RG, RGZ 66, 412 ff.), liegen hier nicht vor.
82Eine solche Ausnahme hat der Bundesgerichtshof BGH (a.a.O.) nicht nur bei der bewusst wahrheitswidrigen Erklärung im Mahnverfahren, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei (BGH, Urteil vom 21.12.2011 – VIII ZR 157/11, juris; BGH, Urteil vom 16.07.2015 – III ZR 238/14, juris), sondern auch dann angenommen, wenn schon vor Einreichung eines Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, sich an dem Güteverfahren zu beteiligen und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, er dies dem Antragssteller im Vorfeld eindeutig mitgeteilt hat und die Gütestelle daher ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung angerufen wird. In einem solchen Fall ist von vornherein sicher, dass der Zweck des außergerichtlichen Güteverfahrens – die Entlastung der Justiz und ein dauerhafter Rechtsfrieden durch konsensuale Lösungen – nicht erreicht werden kann, weshalb sich eine gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Gütestelle als rechtsmissbräuchlich erweist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 – IV ZR 526/14, juris Rn. 34).
83Auch das Reichsgericht (RGZ 66, 412 ff.) hat für die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens entschieden, dass eine Unterbrechung der Verjährung durch Einleitung des Verfahrens jedenfalls voraussetze, dass ein ernstlich gemeinter Antrag auf Beweissicherung vorliege. Erkläre der Antragsteller demgegenüber von vornherein, dass er den Antrag nur zur Unterbrechung der Verjährung einreiche, nehme er dem Antrag seine Bedeutung als Beweissicherungsantrag.
84Von einer vergleichbaren zweckwidrigen Inanspruchnahme des Musterfeststellungsverfahrens im Zeitpunkt der Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren kann entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. LG Landshut, Urteil vom 03.04.2020 – 54 O 3169/19, juris Rn. 23 – 26 LG Köln, Urteil vom 20.12.2019 – 4 O 171/19, juris; Mekat/Nordholtz, „Die Flucht in die Musterfeststellungsklage“ NJW 2019, 411, 412) ohne Vorliegen sonstiger Umstände nicht ausgegangen werden. Denn Ziel des Gesetzes zur Einführung der Musterfeststellungsklage ist es gerade, den betroffenen Verbrauchern einen einfachen Weg der kollektiven Rechtsverfolgung zu eröffnen, in dem sie ihre Ansprüche gegen die beklagte Partei mit verjährungshemmender Wirkung und ohne Anwaltszwang zu einem Klageregister anmelden können (BT-Drucks. 19/2507, S. 24). Liegt der Zweck des Gesetzes aber auch in der Schaffung einer einfachen Möglichkeit zur Verjährungshemmung, so stellt es sich grundsätzlich nicht als rechtsmissbräuchlich dar, wenn eine Anmeldung eines Geschädigten zum Klageregister ausschließlich zu diesem Zweck erfolgt ist (so zutreffend LG Köln, Urteil vom 15. Januar 2020 – 17 O 185/19 juris Rn. 63; LG Nürnberg-
85Hinzu kommt, dass vorliegend auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Klagepartei von Anfang an nicht beabsichtigt habe, das Musterfeststellungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig, 4 MK 1/18, durchzuführen. Zwischen der Anmeldung der Klagepartei im Dezember 2018 und der Rücknahme im September 2019 lagen hier 9 Monate. Hieraus können schon keine Schlüsse auf eine von vornherein bestehende Absicht der Klagepartei, am Musterfeststellungsverfahren nicht vollständig teilzunehmen, gezogen werden. Auch der weitere Umstand, dass die sich auf die Vertretung einer Mehrzahl von Klägern mit einem EA-189-Fahrzeug spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien viele Abmeldungen gebündelt vorgenommen haben, rechtfertigt nicht die Annahme, schon bei der Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage habe von Anfang an die Absicht bestanden, die Anmeldung ausschließlich zur Verjährungshemmung zu „missbrauchen“. Sonstige konkrete Umstände, die einen Rechtsmissbrauch rechtfertigen könnten, zeigt die Beklagte nicht auf. Wegen der im Jahr 2018 von der Klagepartei erfolgten Anmeldung zum Klageregister kann auch zu keiner Zeit ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten im Hinblick auf einen Verjährungseintritt bestanden haben (Senat, Urteil vom 24. Juli 2020 – 13 U 1253/19, juris Rn. 74 – 95).
II.
86Zinsen in Höhe von „4%-Punkten“ ab 16.11.2012 kann die Klagepartei nicht verlangen, vielmehr ist die Beklagte nur zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen, allerdings der Höhe nach beschränkt auf 4%, verpflichtet.
871. Soweit die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4%-Punkten ab Zahlung des Kaufpreises geltend macht, ist ihr Antrag dahingehend auszulegen, dass sie – entsprechend der von §§ 849, 246 BGB vorgesehenen Rechtsfolge – Zinsen in Höhe von 4 Prozent geltend macht.
882. Zinsen nach §§ 849, 246 BGB in Höhe von 4% jährlich ab Zahlung des Kaufpreises kann die Klagepartei aber nicht verlangen, da sie den bezahlten Kaufpreis nicht ersatzlos weggegeben hat, sondern ihr im Gegenzug Eigentum und Besitz an dem streitgegenständlichen Fahrzeug einschließlich abstrakter Nutzungsmöglichkeit eingeräumt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19 juris Rn. 18, 19).
89Nach § 849 BGB kann zwar in den Fällen, in denen wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, eine Verzinsung des zu ersetzenden Betrages von dem Zeitpunkt an verlangt werden, der der Bestimmung des Werts zugrunde gelegt wird. Die Norm greift auch nicht nur bei einer Sachentziehung oder -beschädigung ein, sondern auch in Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde (BGH, Urteil vom 12.06.2018 – KZR 56/16, juris Rn. 45; BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 6; BGH, Urteil vom 24.01.2017 – KZR 47/14, juris Rn. 56 f.). § 849 BGB ist nach seinem Wortlaut nach auch nicht auf die Wegnahme beschränkt und verlangt zudem nicht, dass die Sache ohne oder gegen den Willen des Geschädigten entzogen wird (BGH, Versäumnisurteil vom 26.11.2007 – II ZR 167/06, juris Rn. 4, 5).
90Der Regelung des § 849 BGB kann dennoch ein allgemeiner Rechtssatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12.06.2018 – KZR 56/16, juris, Rn. 45 m.w.N.). Der Normzweck geht vielmehr dahin, den endgültig verbleibenden Verlust an der Nutzbarkeit der weggegebenen Sache – als pauschalierten Mindestbetrag – auszugleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGHZ 87, 38, 40; BGH, NJW 2008, 291).
91Dieser Normzweck ist im hier vorliegenden Fall nicht betroffen, da zwar der Klagepartei ein Geldbetrag in Höhe des Kaufpreises für das Fahrzeug entzogen wurde, die Entziehung aber nicht ersatzlos erfolgte, sondern dadurch kompensiert wurde, dass die Klagepartei im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises Eigentum und Besitz des Fahrzeugs mit der abstrakten Möglichkeit, dieses jederzeit nutzen zu können, erhalten hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18; OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 – 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653; einschränkend unter Abzug einer Wertminderung des Fahrzeugs: OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019, – 12 U 61/19, juris Rn. 84; OLG Stuttgart, Urteil vom 28.11.2019 – 14 U 89/19, juris Rn. 67; a.A: OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.11.2019 – 17 U 146/19, juris Rn. 110 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41; diesen Gesichtspunkt nicht berücksichtigend: OLG Köln, Beschluss vom 27.06.2019 – 27 U 14/19, juris; OLG Köln, Beschluss vom 17.07.2019 – 16 U 199/18, juris). Ein etwaiger Minderwert des Fahrzeuges hat hierauf keinen Einfluss (a.A.: OLG Koblenz, Urteil vom 16.09.2019 – 12 U 61/19, juris Rn. 84). Auch war im Zeitpunkt des Kaufs die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges nicht durch eine Stilllegung des Fahrzeuges eingeschränkt.
92Die der Klagepartei für die Weggabe des Geldes als Gegenleistung eingeräumte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges ist auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil der Geschädigte diese Nutzung bei einer Ablehnung der Verzinsung des Rückzahlungsanspruchs zweimal dadurch bezahlte, dass ihm zusätzlich Nutzungsersatz vom Kaufpreis abgezogen werde (so aber: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41). Denn diese Argumentation berücksichtigt nur die tatsächlich gezogenen Nutzungen, während die der Klagepartei darüber hinaus eingeräumte weitere allgemeine Nutzungsmöglichkeit unbeachtet bleibt. Hinzu kommt, dass § 849 BGB einen pauschalierten Mindestbetrag, und zwar unabhängig von einer im Einzelfall tatsächlich gezogenen Nutzung, verfolgt und daher bereits nach Sinn und Zweck der Regelung von vornherein dann nicht eingreift, wenn der Geschädigte für die Weggabe des Geldbetrages die abstrakte Möglichkeit zur Nutzung des Fahrzeuges eingeräumt erhält. Aufgrund des bei § 849 BGB gerade an die Entziehung der Nutzbarkeit anknüpfenden Normzwecks ergibt sich auch nichts Anderes daraus, dass sonstige Verzinsungsregelungen im BGB, etwa § 290 BGB, unabhängig davon einschlägig sind, ob eine Gegenleistung geflossen ist oder dass Fragen der Verzinsung oder des Wertersatzes im Rückabwicklungsverhältnis (§ 346 BGB) grundsätzlich für jede Leistung gesondert zu bestimmen sind (so: OLG Oldenburg, Urteil vom 02.10.2019 – 5 U 47/19, BeckRS 2019, 23205 Rn. 41).
93Überdies wäre der der Kaufpreissumme entsprechende Betrag mit der Möglichkeit, hieraus Nutzungen zu ziehen, nicht weiter in dem Vermögen der Klagepartei verblieben, wenn die Klagepartei in Kenntnis des vorliegenden Mangels den vorliegenden Kaufvertrag nicht abgeschlossen und stattdessen den Kaufpreis für ein anderes Fahrzeug aufgewandt hätte (vgl. ähnlich OLG Koblenz, Urteil vom 28.08.2019 – 5 U 1218/18, BeckRS 2019, 20653). Würde man die Verzinsungsregelung des § 849BGB in diesem Fall gleichwohl anwenden, führte dies zur einer dem Schadensersatzrecht fremden Überkompensation, da die Klagepartei durch das Schädigungsereignis wirtschaftlich besser stünde als ohne das schädigende Ereignis. Dies widerspräche dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot (vgl. dazu BGH, Urteil vom 04.04.2014 – V ZR 275/12, juris Rn. 20 m.w.N.).
943. Ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen ab Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 4% seit 16.11.2012 folgt auch nicht aus § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB.
95Nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB ist eine Mahnung des Schuldners entbehrlich, wenn aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Verzugseintritt gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift unter anderem Fälle erfassen, in denen ein die Mahnung verhinderndes Verhalten des Schuldners vorliegt (BGH, Urteil vom 04.05.2011 – VIII ZR 171/10, juris Rn. 19, BT-Drucks.14/6040, S. 146). Die Norm erfasst alle Fälle, in denen es Treu und Glauben widersprechen würde, zur Annahme der Verzugsvoraussetzungen vom Gläubiger eine Mahnung zu verlangen. Zu denken ist etwa an Fälle, in denen der Schuldner zur Herausgabe einer durch unerlaubte Handlung entzogenen Sache oder Geldbetrages verpflichtet ist (Staudinger/Löwisch/Feldmann (2014) BGB § 286Rn. 90).
96Soweit der Bundesgerichtshof dies für den Fall der direkten Entziehung von Geldbeträgen etwa durch einen alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH durch Überweisung an sich selbst (BGH, Urteil vom 13.12.2007 – IX ZR 116/06, juris Rn. 11–13) oder hinsichtlich der Rückforderung eines durch einen Raubüberfall erlangten Geldbetrages (BGH, Beschluss vom 14.05.2008 – 2 StR 190/08, juris) angenommen hat, rechtfertigt sich dies daraus, dass sich der Schuldner in diesen Fällen von vornherein im Klaren sein muss, dass er den von ihm entzogenen Geldbetrag von Rechts wegen wieder zurückführen muss und ihm die Höhe des zu zahlenden Betrages im Zeitpunkt der Tat auch bekannt ist.
97Hiervon unterscheidet sich der vorliegende Fall. Es geht nicht um einen direkten Geldfluss vom Gläubiger an den Schuldner und der Schuldner ist nicht zur Rückgewähr des ihm zugeflossenen Betrags verpflichtet, sondern – unabhängig von seinem eigenen Vorteil – auf Rückgängigmachung der Folgen des mit dem Dritten aufgrund der Täuschung abgeschlossenen Vertrags. Während dem deliktisch handelnden Schuldner in den vorbenannten Fällen von vornherein klar ist, dass er den rechtswidrig entzogenen Geldbetrag in der entsprechenden Höhe wieder an den Gläubiger zurückführen muss, ist der Beklagten vorliegend nicht bekannt, welcher konkrete, ersatzfähige Schaden der Klagepartei unter Berücksichtigung der im Rahmen des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Nutzungen und eines etwaigen in Abzug zu bringenden Verkaufserlöses entstanden ist.
984. Die Klagepartei kann allerdings Rechtshängigkeitszinsen nach §§ 291, 288 BGB verlangen, vorliegend allerdings der Höhe nach beschränkt auf ihren Klageantrag in Höhe von 4% (§ 308 ZPO). Mangels konkreten Nachweises dazu, in welcher Höhe im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit unter Berücksichtigung der gefahrenen Kilometer ein Zahlungsanspruch der Klagepartei bestanden hat, kann sie ab Rechtshängigkeit nur Verzinsung des Betrags verlangen, der im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht begründet war. Für den Zeitpunkt nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist der ausgeurteilte Schadensersatzbetrag maßgebend.
995. Im Übrigen hat die Klagepartei schon nicht dargelegt, in welcher Höhe ihr aus Verzugsgesichtspunkten (§ 286 Abs. 1 BGB) Zinsansprüche zustünden. Schuldnerverzug liegt hinsichtlich der Kaufpreiserstattung (§§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB) nicht vor, weil der Schuldner nur in Verzug geraten kann, wenn der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 86). Vorliegend hat die Klagepartei indes durchweg die Zahlung eines höheren Betrages, nämlich vollständige Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich Deliktszinsen (§ 849 BGB), geltend gemacht.
III.
100Der Antrag der Klagepartei auf Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorliegenden Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet, ist nicht begründet.
101Der Käufer hat zwar ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs des Verkäufers, wenn er dadurch in den Stand gesetzt wird, das Urteil hinsichtlich der vom Verkäufer zu leistenden Zahlung des Kaufpreises zu vollstrecken, ohne seine eigene Leistung tatsächlich anbieten zu müssen (§§ 256, 756 ZPO; BGH, Urteil vom 28. 10.1987 – VIII ZR 206/86, juris). Hierzu ist ein Angebot notwendig, das Annahmeverzug nach §§ 293, 294 BGB zu begründen vermag. Voraussetzung dafür ist nach § 294 BGB, dass die Leistung so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten wird, der Gläubiger also nur noch zuzugreifen braucht (BGH, Urteil vom 29.11.1995 – VIII ZR 32/95, juris Rn. 9). Nach § 295 BGB genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, er werde – wie vorliegend – die Leistung nicht annehmen oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere er die geschuldete Sache abzuholen hat. Hat der Zug um Zug leistungspflichtige Gläubiger (§ 298 BGB) erklärt, er werde die Gegenleistung nicht erbringen, genügt ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB (BGH NJW 1997, 581). Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner seine Leistung ordnungsgemäß anbietet und die ihm gebührende Gegenleistung verlangt. Eine Zuvielforderung des Schuldners führt weder zur Begründung von Schuldnerverzug hinsichtlich der Kaufpreisrückzahlung noch zur Begründung von Annahmeverzug des Gläubigers (BGH, Urteil vom 20.07.2005 – VIII ZR 275/04, juris).
102Vorliegend hat die Klagepartei der Beklagten die Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges indes nicht zu den Bedingungen angeboten, von denen sie sie im Hinblick auf den im Wege der Vorteilsausgleichung geschuldeten und vom Kaufpreis in Abzug zu bringenden Nutzungsersatz hätte abhängig machen dürfen (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 85). Sie hat durchgängig die Zahlung eines deutlich höheren Betrages verlangt, als sie hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (BGH a.a.O.).
IV.
103Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Antrag auf Feststellung der Haftung der Beklagten auf weitere Schäden, die über die im Wege der Rückabwicklung mit dem Hauptantrag bezifferten Schäden hinausgehen, nicht begründet. Denn die Klagepartei hat nicht aufgezeigt, welche weiteren Schäden ihr hinreichend wahrscheinlich entstehen werden oder möglich sind, die über die von Klageantrag Ziffer 1 bereits erfassten Schäden hinausgehen und nicht nur zu den gewöhnlichen, nicht erstattungsfähigen Unterhaltungskosten (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19, juris) zählen. Nachteile am Fahrzeug, die durch das Software-Update entstehen, wie behauptete Schäden am Dieselpartikelfilter und am Abgassystem, sind mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages und Übereignung des Fahrzeuges abgegolten. Erstattungsfähige sonstige Schäden, etwa aufgrund Unfallgefahr oder durch etwaige Steuernachteile, sind nicht als hinreichend wahrscheinlich oder möglich aufgezeigt. Auf die zutreffende Begründung des Landgerichts, auf die die Berufung nicht näher eingeht, nimmt der Senat Bezug.
V.
104Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gem. §§ 826, 249, 250 Satz 2 BGB zu, weil die Klagepartei nicht dargetan hat, ihren Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben (BGH, Urteil vom 15.08.2019 – III ZR 205/17, juris Rn. 44).
105Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats (BGH, Urteile vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10, BKR 2013, 283, 286 Rn. 37 und vom 28.05.2013 – XI ZR 421/10, BeckRS 2013, 10761 Rn. 33, jeweils mwN). Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (BGH, Urteile vom 26.02.2013 aaO und vom 28.05.2013 aaO, jeweils mwN; BGH, Urteil vom 15.08.2019 – III ZR 205/17, juris Rn. 43).
106Zu dieser Frage verhält sich die Klagepartei nicht. Auch mit der Berufung hat die Klagepartei nur zur Rechtfertigung einer höheren als einer 1,3 Gebühr vorgetragen. Dazu, ob den Klägervertretern das Mandat zur Klageerhebung bedingt oder unbedingt erteilt worden ist, hat sich die Klagepartei indes nicht verhalten.
107Da insoweit nur eine Nebenforderung betroffen war,bedurfte es keines weitergehenden richterlichen Hinweises (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO, BGH, Urteil vom 15.08.2019 – III ZR 205/17, juris Rn. 44).
C.
108Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
109Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
110Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 – in einer vergleichbaren Konstellation entschieden hat. Dies gilt auch für die Frage, ob der Anspruch auf Kaufpreiserstattung zu verzinsen ist.
Automated page speed optimizations for fast site performance