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Der 13. Zivilsenat am OLG Oldenburg hat die VW AG erneut wegen „vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung“ nach § 826 BGB verurteilt (Az. 13 U73/19). Die hier getroffenen Rechtsprechung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des OLG Oldenburg unter dem AZ: 5 U 47/1. Vorliegend wurde nämlich keine Deliktszinsen zugesprochen. Das OLG Oldenburg, geht jedoch auch von einer Laufleistung von 300.000 KM aus.
Nachfolgend das gesamte Urteil:
Oberlandesgericht Oldenburg
13 U 73/19
17 O 2806/18 Landgericht Oldenburg
Im Namen des Volkes
Urteil
Verkündet am 21. Oktober 2019
In dem Rechtsstreit
…
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte: …
gegen
V. AG, vertreten durch den Vorstand,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte: …
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf die mündliche Verhandlung vom 09. Juli 2019 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 04. April 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt,
a) an den Kläger 14.430,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2018 zu zahlen;
b) den Kläger von den Verpflichtungen aus dem mit der S. C. Bank geschlossenen Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer vom ab April 2019 freizustellen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs VW Tiguan 2,0 TDI Sport & Style mit der FIN … mit dem amtlichen Kennzeichen …, der Übertragung des Anwartschaftsrechts, Rückgabe der Zulassungsbescheinigung Teil I sowie der zugehörigen Fahrzeugschlüssel.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Antrag zu Ziff. 2 im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.171,67 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.08.2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, welche ursächlich mit dem Kaufvertrag über das im Antrag zu Ziff. 1 genannte Fahrzeug zusammenhängen.
5. Es wird festgestellt, dass sich der auf Freistellung von den Darlehensverbindlichkeiten vom 03.03.2015 gegenüber der VW Bank GmbH gerichtete ursprüngliche Klageantrag zu Ziff. 1 b) erledigt hat.
6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB Der Kläger erwarb am 05.03.2015 von der Fa. in Quakenbrück den streitgegenständlichen VW Tiguan 2.0 TDI Sport & Style zum Kaufpreis von 24.400,- €.
Der Kaufpreis wurde teilweise durch die VW Bank GmbH, später durch die S. C. Bank finanziert. Das Fahrzeug hatte bei Vertragsschluss eine Laufleistung von 24.634 km.
Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeugs. Dieses ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Der Kläger ließ am 09.11.2016 ein sog. Software-Update durchführen.
Mit der Klage verlangt er Rückzahlung der geleisteten Anzahlung, der geleisteten Darlehensraten sowie Freistellung von der weiteren Darlehensverbindlichkeit Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Darüber hinaus macht er weitere Nebenforderungen (u.a. Zinsen aus § 849 BGB) geltend.
1Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
2Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.
3In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den aktuellen Kilometerstand mit 129.133 km mitgeteilt. Diesen hat die Beklagte unstreitig gestellt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 09. Juli 2019 (Bd. II, Bl. 129 d.A.) wird Bezug genommen.
II.
4Die Berufung des Klägers ist zulässig. In der Sache hat sie dem Grunde nach Erfolg. Sie ist jedoch im Hinblick auf die anzurechnenden Nutzungsvorteile, im Hinblick auf die Zinsen aus § 849 BGBsowie hinsichtlich kleinerer Nebenforderungen unbegründet.
5(1) Die Beklagte ist gemäß § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem sie den im Fahrzeug des Klägers verbauten Motor des Typs EA 189 mit der verbotenen Abschaltautomatik konzipiert, gebaut und in den Verkehr gebracht hat. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (OLG Koblenz Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18 – juris; OLG Hamm Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18 – juris; OLG Köln Beschluss vom 03.01.2019 – 18 U 70/18 – juris; OLG Köln Beschluss vom 01.03.2019 – 16 U 146/18 – juris; OLG Karlsruhe Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18 – juris sowie auf die Entscheidung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 02. Oktober 2019 – 5 U 47/19).
6Der Anspruch aus § 826 BGB ist nicht wegen etwaiger kaufrechtlicher Gewährleistungsansprüche gegen die Verkäuferin ausgeschlossen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 826 Rdn. 2; Förster in BeckOK BGB, 42. Edition, § 826 Rdn. 5; Staudinger/Oechsler (2018) BGB § 826 Rdn. 132; Staudinger/Matusche-Beckmann (2013), BGB § 437 Rdn. 62). Bei einem arglistigen (vorsätzlichen) Verhalten hinsichtlich eines Sachmangels gilt ein etwaiger Vorrang des Sachmängelrechts nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 12.1.2011 – VIII ZR 346/09, juris Rdn. 16 m. w. N.).
7Die Beklagte hat den Kläger sittenwidrig geschädigt. Sie hat durch Täuschung veranlasst, dass der Kläger mit dem Ankauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs einen Vertrag abgeschlossen hat, den er bei Kenntnis der Sachlage nicht abgeschlossen hätte. Dies stellt einen ersatzfähigen Schaden dar, weil die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit schon isoliert betrachtet ein ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 826 BGB sein kann. Insoweit dient § 826 BGB dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit des Geschädigten (BGH Urteil vom 19. November 2013 VI ZR 336/12 – juris Rdn. 28; OLG Koblenz a.a.O. Rdn.80; OLG Karlsruhe a.a.O. Rdn.17; OLG Hamm a.a.O. Rdn.49 ff).
8Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bei Kenntnis der Sachlage im Frühjahr 2015 das Fahrzeug nicht gekauft hätte. Der Kläger hat nachvollziehbar erklärt, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug mit einer Abschaltautomatik ausgestattet ist, welche das Risiko der Stilllegung des Fahrzeugs berge. Auf die Frage, ob sich der Kläger beim Kauf konkrete Gedanken über die Abgaswerte des Fahrzeugs gemacht hat, kommt es nach Auffassung des Senats nicht an. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger das Fahrzeug auch nach Bekanntwerden der Abgasproblematik weiter genutzt hat.
9Die Beklagte hat ein mangelhaftes Auto produziert und unter Vertuschung dieses Mangels auf den Markt gebracht. Bei der Programmierung handelt es sich um eine verbotene Abschalteinrichtung, deren Installation dazu geführt hat, dass dem Fahrzeug bei Gefahrübergang abstrakt die Stilllegung drohte, so dass ihm die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit gefehlt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 -, juris Rdn.23 und Rdn.12 ff). Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf die überzeugenden Ausführungen des 8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs im angesprochenen Hinweisbeschluss, denen er sich anschließt. Dieser Mangel bedeutet zwangsläufig auch einen Minderwert des Fahrzeugs, da ein mangelbehaftetes Fahrzeug regelmäßig weniger wert ist als ein mangelfreies. Der Kauf eines derart mangelhaften Autos bedeutet entgegen der Auffassung der Beklagten einen Vermögensnachteil. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der schlichten Überlegung, dass seinerzeit die Stilllegung des Fahrzeugs drohte, wenn das Update nicht aufgespielt würde. Es handelt sich insoweit auch nicht nur um eine unerhebliche Vermögensgefährdung. Insoweit ist der Vermögensschaden mit Verkauf des minderwertigen Fahrzeugs objektiv bereits eingetreten. Es liegt nach Ansicht des Senats auf der Hand, dass der Kläger im Falle eines Weiterverkaufs unter Offenbarung der verbotenen Abschalteinrichtung und dem Umstand, dass dem Fahrzeug deshalb die Stilllegung drohte, nicht den gleichen Preis erzielt hätte. Dass die Beklagte später ein Update entwickelt hat, um den eingetretenen Schaden zu verringern oder zu beseitigen, hat nach Ansicht des Senates, soweit es um die Frage geht, ob der Verkauf eine tatbestandliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB darstellt in Fällen der vorliegenden Art, also des Kaufs vor Ad-hoc-Mitteilung außer Betracht zu bleiben, da es das Update zum Zeitpunkt der Schädigung (Verkauf) noch gar nicht gab. Auf die umstrittene Frage, ob das Update überhaupt geeignet ist, den Mangel vollständig und ohne nachteilige Folgen für das Fahrzeug zu beseitigen, kommt es danach nicht an. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage bedarf es daher nicht.
10Die Beklagte hat auch vorsätzlich gehandelt. Der Senat ist davon überzeugt, dass die zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vorsätzlich gehandelt haben und es nicht etwa versehentlich zur Konzeption einer Abschalteinrichtung gekommen ist (vgl. auch OLG Koblenz a.a.O. – juris Rdn.69). Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Mitarbeiter der Beklagten dieses Konzept bewusst nicht offenbart hatten, weil andernfalls – wie später auch geschehen – die Zulassungsbehörden diese Abschalteinrichtung beanstandet hätten. Den verantwortlichen Mitarbeitern der Beklagten musste auch bewusst gewesen sein, dass die Endverbraucher ein solches Auto, dem für den Fall des Offenbarwerdens die Stilllegung drohte, regelmäßig nicht kaufen würden. Da die Autos der Beklagten wegen ihrer Langlebigkeit auch in großem Umfang auf dem Gebrauchtwagenmarkt gehandelt werden, mussten die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten auch die Schädigung der Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt zumindest billigend in Kauf genommen haben.
11Das Inverkehrbringen dieses Motors ist der Beklagten nach Auffassung des Senats auch zuzurechnen. Die Beklagte bestreitet zwar, dass die entscheidenden Organe (Vorstand) von der Manipulation Kenntnis hatten. Dagegen spricht aber schon der äußere Anschein, da es sich um eine essentielle Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen handelt. Auch wenn die Beweislast grundsätzlich den Kläger trifft, obliegt der Beklagten nach Auffassung des eine sekundäre Darlegungslast (vgl. u.a. OLG Köln, Beschl. vom 29.11.2018 – 18 U 80/17, juris). Dieser ist die Beklagte nicht nachgekommen. Denn dazu hätte es nach Auffassung des Senats gehört, dass unter namentlicher Nennung der an der Entwicklung und der Entscheidung über das Inverkehrbringen des manipulierten Motors beteiligten Personen dargelegt wird, wie die Abwicklung im Hause der Beklagten praktiziert wurde. Dass dies angesichts der Vielzahl der betroffenen Fahrzeuge und der damit verbundenen weitreichenden, insbesondere auch wirtschaftlichen, Konsequenzen ohne Beteiligung des Vorstands erfolgt ist, ist nach Auffassung des Senats auszuschließen. Jedenfalls hätte dies auf Seiten der Beklagten näherer konkreter Darlegung der internen Entscheidungsabläufe und Zuständigkeiten innerhalb des Konzerns bedurft. Daran fehlt es. Hinzu kommt, dass für eine Zurechnung nach § 31 BGB auch ein „anderer verfassungsgemäß berufener Vertreter“ ausreichen würde. Das kann nach Auffassung des Senats ggfs. auch die mit der Entwicklung und Produktion des Motors befassten Mitarbeiter (Ingenieure) sein. Das gilt insbesondere dann, wenn diesen Mitarbeitern auch die Entscheidungsbefugnis über das Inverkehrbringen dieser (manipulierten) Software bei einer Vielzahl von Fahrzeugen oblegen hätte. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf die überzeugenden Ausführungen anderer Oberlandesgerichte (Koblenz, a.a.O., juris Rdn.76 ff); Karlsruhe, a.a.O., juris Rdn.54; Köln, a.a.O..juris Rdn. 31 ff; Hamm, a.a.O., juris Rdn. 71 ff, sowie des hiesigen 14. Zivilsenates, Beschluss vom 05.12.2018 – 14 U 60/18, juris Rdn.17 und schließlich auf das Urteil des hiesigen 5. Zivilsenats, a.a.O.). Ob die unstreitigen Indizien überdies bereits ohnehin den überzeugungskräftigen Schluss auf die Beteiligung von Vorstandsmitgliedern zulassen (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., juris Rdn. 68 ff), ob andernfalls im Sinne einer Wahlfeststellung eine Haftung nach § 831 BGB anzunehmen wäre (14. Zivilsenat, a.a.O., juris Rn.34) oder die Zurechnung andernfalls unter dem Gesichtspunkt des Organisationsmangels erfolgen müsste (vgl. OLG Koblenz, a.a.O., Rdn.80), kann deshalb offenbleiben.
12Die Schädigungshandlung ist auch sittenwidrig (so auch OLG Koblenz, Urteil vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18 – juris Rdn. 47 ff; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2019 – 13 U 142/18, juris Rdn.29 ff; OLG Köln – 18. Zivilsenat, Beschluss vom 03.01.2019, 18 U 70/18 -, juris; OLG Köln – 16. Zivilsenat, Beschl. vom 01.03.2019 – 16 U 146/18 – juris Rdn.; OLG Hamm Urteil v. 10.09.2019 – 13 U 149/18 – juris Rdn.63 ff). Sittenwidrig im Sinn des § 826 BGB ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft, vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH NJW 2014, 383). Die für die Abgasmanipulation verantwortlichen Personen haben mit der Abschaltvorrichtung ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Allein plausibles Motiv ist insoweit, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, weil man noch nicht über eine Technik verfügte, um die gesetzlichen Abgasvorschriften einzuhalten, oder weil man aus Gewinnstreben die Entwicklung und den Einbau der notwendigen Vorrichtungen unterließ. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Kauf eines PKW für viele Verbraucher um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht mit oft deutlichen finanziellen Belastungen handelt, die durch das unredliche Verhalten nachteilig beeinflusst worden ist. Die verantwortlichen Personen haben die Ahnungslosigkeit der Verbraucher bewusst zum Vorteil der Beklagten ausgenutzt. Die daraus ersichtliche Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und Umwelt- und Gesundheitsschäden zu riskieren, weil die Schadstoffemissionen im regulären Fahrbetrieb aufgrund einer geringeren Abgasrückführung höher sind, als dies auf Grundlage der manipulierten Prüfungen mit optimierter Abgasaufbereitung zu erwarten war, lässt das Verhalten insgesamt sittenwidrig erscheinen.
13Dieses Ergebnis ist nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren (vgl. Heese NZV 2019, 273, 274; OLG Koblenz a.a.O. Rdn. 96 ff; OLG Karlsruhe a.a.O,. Rdn. 40 f). Dabei soll nicht bezweifelt werden, dass im Einzelfall auch im Rahmen des § 826 BGB eine als zu weitgehend empfundene, nur durch das Merkmal der Adäquanz gefilterte Schadenszurechnung der Ergebniskorrektur durch Schutzzweckerwägungen bedarf; insoweit kann sich dieselbe Handlung bestimmten Geschädigten gegenüber als sittenwidrig darstellen, anderen gegenüber nicht (BGH, Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 109/84- Juris Rn. 15 f.). Diese Überlegungen passen indessen auf die vorliegende Konstellation nicht. Nach Ansicht des Senates verengt die Argumentation des OLG Braunschweig, die im vorliegenden Kontext auf den fehlenden Individualschutz der EUVorschriften abzielt, den Blick zu sehr. Die Annahme einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB beruht eben nicht auf dem Verstoß gegen die Verordnung VO (EG) 715/2007, sondern vielmehr auf dem vorsätzlichen Inverkehrbringen eines mangelhaften Fahrzeugs und der damit verbundenen massenhaften Täuschung der Käufer aus Gewinnstreben. Die Mangelhaftigkeit des Motors führte dazu, dass dem Käufer behördliche Maßnahmen drohten, wenn er nicht an unzureichend erprobten Nachbesserungsmaßnahmen teilnahm. Damit ist unabhängig von den durch die VO (EG) 715/2007 geschützten Zielen und Umweltbelangen auch der Rechtskreis eines Käufers unmittelbar betroffen (vgl. auch OLG Koblenz a.a.O. Rdn.98; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rdn.40 f.). Das gilt auch, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Fahrzeug nach der Erstzulassung als Gebrauchtwagen erworben wird.
14(2) Der Kläger kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass die Beklagte ihn vermögensmäßig so stellt, als ob er den Vertrag über den mangelhaften PKW nicht geschlossen hätte. Dies bedeutet, dass der Kläger Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und der aufgewendeten Darlehensraten sowie Freistellung von den noch laufenden Darlehensverpflichtungen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen kann.
15Der Kläger muss sich in diesem Zusammenhang nicht den Einwand widersprüchlichen Verhaltens entgegenhalten lassen, nachdem er das Update hat aufspielen lassen. Da andernfalls die Stilllegung des Fahrzeugs gedroht hätte, war der Kläger schon aus Gründen der Schadensminderung gehalten, das Update aufspielen zu lassen. Dies war auch für die Beklagte offensichtlich, so dass die entsprechende Mitwirkung des Klägers kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten im Sinne des § 242 BGB wecken konnte.
16Der Kläger kann also zunächst Rückzahlung der geleisteten Anzahlung von 8.000,-€ verlangen. Darüber hinaus kann er Rückzahlung der auf den mit der VW Bank GmbH geleisteten Darlehensraten in Höhe von insgesamt 14.750,- € und der Bearbeitungsgebühr von 720,92 € verlangen. Ferner kann er Rückzahlung der ersten Darlehensrate aus März 2019 in Höhe von 219,08 € aus der weiteren Darlehensverpflichtung mit der S. C. Bank verlangen. Ersatz der Kosten für die Allwetterreifen in Höhe von 237,60 € kann der Kläger dagegen nicht verlangen, weil er diese angesichts einer Laufleistung von mehr als 100.000 km bereits vollständig „verbraucht“, den Gegenwert also vollständig genutzt hat. Insgesamt hat der Kläger also einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 23.690,00 €.
17(3) Der Kläger muss sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Das Fahrzeug hatte beim Erwerb einer Laufleistung von 24.634 km. Ausgehend von einer Gesamtlaufleistung bei Dieselfahrzeugen der vorliegenden Art von 300.000 km belief sich die mögliche Restlaufleistung somit auf 275.366 km. Der Kläger ist mit dem Fahrzeug bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat 104.499 km (129.133 km abzgl. anfänglichem Kilometerstand von 24.634 km) gefahren. Daraus errechnen sich Nutzungsvorteile in Höhe von 9.259,58 €, die von dem oben genannten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 23.690,- € in Abzug zu bringen sind. Daraus ergibt sich ein verbleibender Zahlungsanspruch in Höhe von 14.430,42 €.
18Soweit schließlich in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten wird, die Anrechnung von Nutzungsvorteilen habe grundsätzlich zu unterbleiben (so Heese NZV 2019, a.a.O., S. 278), vermag sich der Senat dieser Ansicht nicht anzuschließen. Das Bereicherungsverbot ist ein anerkanntes Grundprinzip des Schadensrecht; der Senat sieht nicht die Notwendigkeit, dieses Prinzip in Fällen der vorliegenden Art aufzugeben, um der Präventivfunktion des Deliktsrechts weitere Geltung zu verschaffen. Heese ist zuzugeben, dass bei Abzug einer Nutzungsentschädigung, die sich nach dem Kaufpreis errechnet, der Schädiger einen Teil seines Gewinnes auf diese Weise realisieren kann. Indessen dient der Schadensersatzanspruch primär der Schadensbeseitigung beim Geschädigten und nicht der Bestrafung des Schädigers. Im Übrigen dürfte angesichts der Verfahrenskosten und des Rufschadens, die mit der Verurteilung der Beklagten nach § 826 BGB einhergehen, immer noch eine hinreichend präventive Wirkung von der Verurteilung ausgehen, ohne dass es tatsächlich gleichsam noch eines Strafschadensersatzes im Sinne eines „punitive damage“ bedürfte, um steuernd präventiv auf die Beklagte einzuwirken. Der Gedanke, der VW-Konzern würde in vergleichbarer Weise wieder am Markt agieren, wenn er nicht die ungeschmälerte Kaufpreisrückzahlung, also ohne Anrechnung eines Nutzungsersatzes auf Käuferseite, zu fürchten hätte, erscheint dem Senat doch eher theoretisch.
19(4) Entgegen der Auffassung des Klägers stehen ihm Zinsen aus § 849 BGB nicht zu. Nach dieser Vorschrift kann der Verletzte Zinsen verlangen, wenn wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist. Dies erfasst jeden Sachverlust durch eine deliktische Handlung. Auch wenn der Geschädigte durch eine unerlaubte Handlung wie beim Betrug oder der Erpressung dazu bestimmt wird, eine Sache wegzugeben oder darüber zu verfügen, wird sie ihm entzogen. Die Norm findet nicht nur bei Sachentziehung oder -beschädigung Anwendung, sondern auch in Fällen, in denen dem Geschädigten Geld entzogen wurde (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, Rdn. 4; BGH, Urteil vom 12. Juni 2018 – KZR 56/16, Rdn. 45; jeweils m.w.N.). Allerdings kann § 849 BGB ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahin, deliktische Schadensersatzansprüche seien stets von ihrer Entstehung an zu verzinsen, nicht entnommen werden (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018, a.a.O., m.w.N.). Vielmehr soll der Zinsanspruch mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann (BGH, Versäumnisurteil vom 26. November 2007, a.a.O., Rdn. 5 m.w.N.). Dieser Normzweck ist in Fällen des Schadensersatzes durch Rückabwicklung eines Vertrages, in dessen Rahmen der Geschädigte, wie hier, für das Geld eine Sache zur Nutzung erhalten hat, nicht betroffen. Denn der Geschädigte hat in diesen Fällen zwar sein Geld „weggegeben“, doch er hat hierfür, wie es auch seiner Vorstellung über die Verwendung des Geldes entsprach, eine Nutzungsmöglichkeit erhalten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18, juris Rdn. 99; Spindler in BeckOK BGB, BGB § 849 Rdn. 2 m.w.N.). Dass dem Geschädigten auch Nutzungsvorteile angerechnet werden, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Denn der allgemeine schadensrechtliche Grundsatz der Vorteilausgleichung, der dazu führt, dass der Geschädigte die mit dem gekauften Fahrzeug gefahrenen Kilometer als Gebrauchsvorteil aus der tatsächlichen Nutzung ausgleichen muss, hat nichts mit der hier allein maßgeblichen Frage zu tun, ob dem Geschädigten die Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich des für den Kaufpreis aufgewandten Geldes entzogen wurde. Das ist, wie bereits ausgeführt, zu verneinen, weil der Kläger das Geld nach seinen Vorstellungen nutzen konnte, indem er ein Auto erworben hat, das ihm anschließend zur Nutzung zur Verfügung stand. Soweit der Bundesgerichtshof entschieden hat, § 849 BGB sei in Fällen der Haftung wegen kartellrechtswidriger Quotenabsprachen zumindest entsprechend anwendbar, weil die Situation desjenigen, der einen Schaden dadurch erleidet, dass er aufgrund kartellrechtswidriger Absprachen überhöhte Preise zu zahlen hatte, Ähnlichkeiten mit der Sachlage bei Entziehung von Geld aufweise (BGH, Urteil vom 12. Juni 2018, a.a.O., Rdn. 46), lässt sich daraus für die hier zu beurteilende Fallkonstellation nichts herleiten. Denn die Entscheidung des Bundesgerichtshofs trägt den hier nicht einschlägigen kartellrechtlichen Besonderheiten und den insoweit zu beachtenden unionsrechtlichen Postulaten Rechnung. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger auf den Kaufpreis nur eine Anzahlung von 8.000,- € geleistet und den übrigen Kaufpreis finanziert hat. Der Kläger konnte daher keinesfalls Zinsen auf den vollen Kaufpreis beanspruchen.
20(5) Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann der Kläger verlangen. Zu den nach § 249 BGB ersatzfähigen Schadenspositionen zählen auch die Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 249 Rdn. 56 f). Das gilt auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wenn und soweit der Geschädigte die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig halten durfte (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.2003 – IX 249/02, juris Rdn. 32 m.w.N.). Die Frage, welche Rechte dem Käufer eines von der Abgasproblematik betroffenen Fahrzeugs zustehen, war für den Kläger ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht zu klären. Es handelt sich um eine vielschichtige Problematik, für die anwaltliche Hilfe notwendig war. Da der Kläger u.a. die Rückabwicklung des Kaufvertrages anstrebte, war es zudem sachgerecht und geboten, die Beklagte durch das anwaltliche Mahnschreiben vom 20.07.2018 (Bd. I, Bl. 28 ff d.A.) in Annahmeverzug zu setzen. Auf die Frage, ob dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt sein musste, dass die Beklagte außerprozessual nicht leistungsbereit war, kommt es nach Auffassung des Senats nicht an. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € sind daher zu ersetzen.
21(6) Die Zinsforderungen ergeben sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte ist durch das Schreiben vom 20.07.2018 unter Fristsetzung bis zum 03.08.2018 in Verzug gesetzt worden.
22(7) Da derzeit noch nicht bezifferbare Steuerschäden im Hinblick auf eine Neufestsetzung der Kraftfahrzeugsteuer wegen höherer Abgaswerte in Betracht kommen (vgl. §§ 8 Nr. 1 b), 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG), ist auch der Feststellungsantrag zu Ziff. 4 begründet.
23(8) Der ursprüngliche Freistellungsantrag zu Ziff. 1 b hat sich erledigt, nachdem die Darlehensraten vollständig erbracht worden sind. Insoweit war daher antragsgemäß die Erledigung festzustellen.
24(9) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr.10, 711 ZPO.
25(10) Der Senat hat die Revision mit Blick auf die Vielzahl gleichartiger anhängiger Verfahren wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung und wegen der Divergenz zur Entscheidung des OLG Braunschweig auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
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