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Das LG Potsdam hat entschieden, dass Volkswagen den kompletten Kaufpreis nebst noch aufgewandten Darlehenszinsen an den Kläger zurückzahlen musste. Volkswagen akzeptiert das Urteil, und zieht eine Berufung vor dem OLG Brandenburg zurück. Das Urteil ist rechtskräftig.
Falldaten:
Kaufpreis des Klägers am 16.05.2014: 11.980 €
Weiter aufgewandte Zinsen: 2.818,72 €
Erstattungsbetrag nach dem Urteil: 14.798,72 €
Die wesentliche Begründung im Urteil hierzu:
2) Auf diesen Schadensbetrag von EUR 14.798,72 muss sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als gezogenen Vorteil nicht anrechnen lassen.
Auf der Grundlage der für die Bestimmung des Schadens geltenden Differenzhypothese können auch Vorteile, die dem Geschädigten im adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen, in die Schadensberechnung einzustellen sein. Dazu reicht jedoch die bloße adäquate Kausalität zwischen schädigendem Ereignis und Erlangung des Vorteils nicht aus. Durch die Anrechnung darf der Geschädigte auch nicht unzumutbar belastet und der Schädiger nicht unbillig entlastet werden. Schließlich muss die Anrechnung dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs entsprechen.
Vorliegend widerspricht die Anrechnung dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm. Wie dargelegt schützt die Vorschrift des § 826 BGB vorliegend vor dem unerwünschten Vertrag und der Kläger ist wirtschaftlich so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht abgeschlossen. Müsste sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als Vorteil anrechnen lassen, würde er im Rahmen des Schadensersatzes wirtschaftlich am Kaufvertrag festgehalten. Der Eingriff in die durch § 826 BGB geschützte Dispositionsfreiheit würde nicht kompensiert, sondern perpetuiert. Faktisch würde man den unerwünschten Kaufvertrag im Rahmen des Schadensersatzanspruches in einen Mietvertrag umwandeln.
Zudem würde die Anrechnung die Beklagte, die die Wertschöpfung des sittenwidrigen Warenabsatzes im Wege der Schadensberechnung zum Teil realisieren könnte, weil sich die Berechnung auch noch am vereinbarten – objektiv wohl überhöhten – Kaufpreis orientiert, unbillig entlasten (ebenso Heese, NJW 2019, 261).
Die Ablehnung der Vorteilsanrechnung stellt auch keine dem System des BGB widersprechende „punitive damage“ dar. Vielmehr zeigt gerade § 142 Abs. 2 BGB, dass der arglistig täuschende Vertragspartner bei Anfechtung des Getäuschten im Zuge der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die erhaltene Leistung herausgeben muss, während der auf die Rückgewähr seiner Gegenleistung gerichtete Anspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen ist. Ferner wendet auch der BGH die Saldotheorie zu Lasten des arglistig Täuschenden nicht an. Das BGB kennt mithin sehr wohl den Anspruchsausschluss bzw. die Anspruchseinschränkung des arglistig Täuschenden. Es ist daher nicht systemfremd, dass der Kläger die Vorteile der Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht herausgeben muss.
Auf Volkswagen kommen mithin teure und harte Zeiten zu.
Das Urteil im Volltext:
Landgericht Potsdam
Az.: 6 O 38/18
Im Namen des Volkes
Urteil
Verkündet am 12.04.2019
…, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam durch den Richter am Landgericht … als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2018
für Recht erkannt:
Tenor:
Im Übrigen wird der weitergehende Antrag zu 3. abgewiesen.
Beschluss
Der Streitwert wird auf EUR 14.098,72 festgesetzt.
Tatbestand:
1Der Kläger kaufte am 16.05.2014 bei dem unter der Firma Autozentrum Ludwigsfelde e.K. handelnden Kaufmann Andre J. einen gebrauchten, erstmals am 03.11.2009 zugelassenen VW Passat 2,0 TDI Blue Motion mit der Fahrgestellnummer … zum Preis von EUR 11.980,00 inklusive Umsatzsteuer (i. F. „streitgegenständliches Fahrzeug“). Zur Finanzierung eines Teils des Kaufpreises von EUR 6.980,00 nahm der Kläger bei der S. Consumer Bank ein Darlehen auf, für welches er EUR 2.818,72 an Darlehenszinsen zahlte.
2Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 verbaut, dessen Motorsteuerungssoftware bei Auslieferung an den ersten Käufer so programmiert war, dass sie erkannte, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand getestet wird. In diesem Fall schaltete die Motorsteuerungssoftware in den Modus 1 („Prüfstandmodus“). In diesem Modus 1 wurden die Abgase aus dem Brennräumen über das Abgasrückführungssystem dem zu verbrennenden Brennstoffgemisch zugemischt. Das Luftgemisch aus frischer Luft und Abgase wurde in den Brennräumen erneut verbrannt, bevor die Abgase den Motor verließen und das Emissionskontrollsystem erreichten. Im Modus 1 hielten die Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 auf dem Prüfstand im neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die Schadstoffgrenzwerte der VO (EU) Nr. 715/2007 ein. Im normalen Fahrbetrieb agierte die Software hingegen im Modus 0. In diesem Modus 0 wurden die Abgase aus den Brennräumen nicht mehr zurückgeführt und der frischen Luft zugemischt. Im normalen Fahrbetrieb hielten die Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 die Schadstoffgrenzwerte der VO (EU) Nr. 715/2007 nicht ein.
3Bereits seit 2008 Mitarbeiter integrierten der Beklagten die Motorsteuerungssoftware in alle Dieselmotoren EA 189, um zumindest bei Tests auf dem Prüfstand die Schadstoffgrenzwerte der VO (EU) Nr. 715/2007 einzuhalten. Den Entwicklungsingenieuren der Beklagten war es zuvor nicht gelungen, die Dieselmotorgenerator EA 189 so zu entwickeln, dass sie sowohl die Kostenvorgaben der Beklagten als auch im normalen Fahrbetrieb die zur Erlangung der EU-Typengenehmigung einzuhaltenden Schadstoffgrenzwerte der VO (EU) Nr. 715/2007 (EURO 5) einhielten. Mitarbeiter der Firma B. entwickelten dazu für jedes Fahrzeugmodell und jede Motorvariante der Motorengeneration EA 189 eigene Software-Versionen und rechneten diese Leistungen bei der Beklagten ab.
4Die Beklagte legte die Verwendung der zwischen den beiden Modi (Prüfstandmodus und normaler Betrieb) wechselnden Motorsteuerungssoftware nicht offen, sondern hielt sie sogar vor den Zulassungsbehörden geheim. Erst nachdem Mitarbeiter der West Virginia University (WVU) in Zusammenarbeit mit dem International Council on Clean Transportation (ICCT) im Mai 2014 feststellten, dass Fahrzeuge der Beklagten mit dem Dieselmotor EA 189 (2,0 l) unter normalen Fahrbedingungen die in den USA zulässigen Stickoxidgrenzwerte um ein Vielfaches überschritten und die amerikanischen Behörden der Beklagten drohten, den Fahrzeugen des Modelljahres 2016 die Zulassung nicht zu erteilen, gab die Beklagte Anfang 2015 gegenüber den amerikanischen Behörden die Existenz der beiden Modi in der Motorsteuerungssoftware zu. Am 22.09.2015 räumte die Beklagte ein, diese Motorsteuerungssoftware auch in Motoren des Typs EA 189 außerhalb der USA und Kanada verwendet zu haben.
5Im September 2015 beauftragte die Beklagte die Rechtsanwaltskanzlei J. D. (i. F. J. D.) mit einer unabhängigen Untersuchung der internen Vorgänge bei der Beklagen im Zusammenhang mit der so genannten „Dieselaffäre“. Der Aufsichtsrat der Beklagten wies J. D. an, dem US-Justizministerium vollumfänglich Zugang zu den dabei gewonnenen Erkenntnissen zu gewähren. Die Erkenntnisse von J. D. sowie die vom Department of Justice gewonnen Erkenntnisse und zusammengetragenen Fakten über die Entstehung und Verwendung der Motorsteuerungssoftware flossen in einen vom Department of Justice gefertigten Bericht („Statement of Facts“) ein.
6Unter dem 15.10.2015 verlangte das Kraftfahrtbundesamt von der Beklagten, die mit der zwischen den Modi wechselnden Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Fahrzeuge so nachzurüsten, dass sie nunmehr den Zulassungsvorschriften entsprechen. Daraufhin entwickelte die Beklagte Updates für die verschiedene Versionen der Motorsteuerungssoftware und forderte die Besitzer der betroffenen Fahrzeuge auf, das jeweilige Update für ihren Fahrzeugtarif installieren zu lassen.
7Im Frühjahr 2017 einigte sich die Beklagte mit der US-Regierung auf die Beilegung strafrechtlicher Ansprüche und Umweltschutzklagen gegen die Beklagte auf Bundesebene sowie der Beilegung weiterer gegen die Beklagte gerichteter zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verwendung der Motorsteuerungssoftware in den Dieselmotoren EA 189. Diese Einigung umfasst vier Vergleiche, darunter auch ein „Plea Agreement“ mit dem Department of Justice, in dessen Rahmen das „Statement of Facts“ veröffentlicht wurde.
8In einem Interview mit der FAZ Ende März 2017 erklärte der Aufsichtsvorsitzende der Beklagten, P., es gebe keinen schriftlichen Abschlussbericht von J. D. und es werde aus rechtlichen Gründen auch keinen geben, weil die US-Behörden nicht akzeptieren würden, dass die Beklagte einen eigenen Bericht erstelle.
9Mit Schreiben seiner Prozessvertreter vom 11.12.2017 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis zum 18.12.2017 den Kaufpreis von EUR 11.980,00 an ihn zurückzuzahlen und ihm die Finanzierungskosten von EUR 2.819,72 zu ersetzen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Zugleich boten die Prozessvertreter der Beklagten die Abholung des streitgegenständlichen Fahrzeuges an. Ferner forderte der Kläger die Beklagte unter Setzung einer Frist ebenfalls bis zum 18.12.2017 auf, ihm die vorgerichtlichen Kosten seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten zu erstatten, die diese auf der Basis eines Streitwertes von EUR 11.980,00 und einer 2,0-Geschäftsgebühr mit EUR 1.416,32 bezifferten.
10Der Kläger behauptet, die Mitarbeiter der Beklagten hätten die Motorsteuerungssoftware auf Anweisung des damaligen Entwicklungschefs der Beklagten und Vorstandsmitglieds bei der A. AG, Ulrich H., in alle Dieselmotoren EA 189 integriert. Dabei habe bereits 2007 die B. AG die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Funktion der Motorsteuerungssoftware, die zwischen verschiedenen Modi wechselt, nur für den Testbetrieb vorgesehen sei, und habe sie auf einen gesetzwidrigen Zustand bei Benutzung im normalen Betrieb hingewiesen. Im Jahre 2011 habe ein Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen, dass der Einsatz der zwischen den beiden Modi (Testbetrieb und normaler Betrieb) wechselnden Motorsteuerungssoftware einen Rechtsverstoß darstellen könnte.
11Der Vorstand der Beklagten habe von der Verwendung der Motorsteuerungssoftware und der (wirtschaftlichen) Gründe für ihren Einsatz Kenntnis gehabt. Abgesehen davon, dass die Warnungen in einem straff-hierarchisch organisierten System der Konzernführung der Beklagten mit Reportingsystem an den Vorstand gelangt seien, hätten dem Vorstand die Rechnungen der B. AG über die Entwicklung der Software für die verschiedenen Fahrzeugmodelle und Motorvarianten der Motorengeneration EA 189 auffallen müssen.
12Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagen obliege eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Entscheidung über die Verwendung der zwischen den beiden Modi (Testbetrieb und normaler Betrieb) wechselnden Motorsteuerungssoftware, der daran beteiligten Personen und der Kenntnis des Vorstandes. Nur die Beklagte kenne ihre inneren Strukturen und Abläufe. Sie müsse substantiiert vortragen, wer die Entscheidung über die Integration der Motorsteuerungssoftware getroffen habe und warum der Vorstand von dieser wichtigen Entscheidung angeblich keine Kenntnis erlangt haben soll.
13Er ist ferner der Ansicht, aufgrund der Verwendung der Motorsteuerungssoftware fehle dem streitgegenständlichen Fahrzeug die EG-Typengenehmigung. Es bestehe daher die Gefahr, dass die Betriebserlaubnis erlösche und die zuständige Behörde das Fahrzeug stilllege. Zudem habe das Fahrzeug durch Bekanntwerden der Existenz der Motorsteuerungssoftware einen erheblichen Wertverlust erlitten.
14Der Kläger, für den die Werbung der Beklagten mit der besonderen Umweltfreundlichkeit ein besonderes Kaufargument gewesen sei, habe sich über die Gesetzmäßigkeit des Fahrzeugs geirrt.
15Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte müsse ihm im Wege der Naturalrestitution so stellen, er hätte er den Kaufvertrag am 16.05.2014 nicht geschlossen und den Kaufpreis nicht teilweise finanziert. Dabei stünde ihm gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB, aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB oder jedenfalls aus § 826 BGB zu, wobei der Beklagten das Verschulden des Vorstandes bzw. eines satzungsmäßig berufenen Vertreters nach § 31 BGB zugerechnet werde. Über den bedingten Vorsatz der Handelnden hinaus hätten diese auch mit der Absicht stoffgleicher Drittbereicherung gehandelt, weil sich die Beklagte die Kosten für die Entwicklung eines „sauberen“ Motors (mit größerem Harnstoffeinspritzungstank und einem SCR-Katalysator) sowie die damit verbundenen höheren Materialkosten für jeden einzelnen Motor gespart habe.
16Der Kläger beantragt,
2.die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 11.980,00 zuzüglich Darlehenszinsen in Höhe von EUR 2.118,72 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Volkswagen Passat mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen,
3.festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 19.12.2017 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet,
4.die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.461,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2017 zu zahlen.
17Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
18Sie ist der Ansicht, dass Fahrzeug des Klägers verfüge über eine gültige EG-Typgenehmigung und es bestehe kein Risiko, dass diese entzogen werde. Das Fahrzeug sei technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt, der Kläger müsse nicht mehr Steuern zahlen und könne alle Umweltzonen befahren. Ihm drohe auch nicht der Verlust des Versicherungsschutzes.
19Zudem sei der Wert des Fahrzeuges nicht gesunken, weil das auf dem Fahrzeug des Klägers installierte Update der Motorsteuerungssoftware nun dafür sorge, dass das Fahrzeug nunmehr immer im Modus 1 fahre. Das Update habe alle Probleme beseitigt. Deshalb fehle es an einem Schaden des Klägers. Ein solcher ließe sich auch nicht mit der Lehre vom individuellen Schadenseinschlag begründen, weil der Kläger das Auto voll nutzen könne.
20Kein Mitglied des Vorstandes der Marken oder der aktienrechtliche Vorstand der Beklagten habe gewusst, dass in der Motorsteuerungssoftware die Umschaltfunktion enthalten sei. Der gegenteilige Vortrag des Klägers sei unsubstantiiert und ins Blaue hinein. Sie ist der Ansicht, sie treffe keine sekundäre Darlegungslast.
21Sie habe auch den Rechtsverkehr nicht getäuscht und insbesondere nicht sittenwidrig gehandelt. Sie verweist insofern auf ein Urteil des Bundesberichtshofes vom 28.06.2016 (BGH NJW 2017, 250), wonach das Verschweigen von Informationen in einem Anlageprospekt nur dann sittenwidrig sei, wenn es bewusst mit dem Ziel erfolgt sei, den Kunden durch die Täuschung über die Tatsache zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen, den sie sonst nicht abgeschlossen hätten.
22Im Übrigen sei allenfalls eine 1,3-Geschäftsgebühr angemessen.
Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet; lediglich die von der Beklagten ebenfalls zu ersetzenden vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten belaufen sich nicht auf EUR 1.461,32, sondern nur auf EUR 1.029,35.
I.
24Der ohne weitere zulässige Antrag zu 1 ist begründet.
26Verfassungsmäßig berufene Mitarbeiter der Beklagten haben den Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zumindest bedingt vorsätzlich geschädigt.
27a. Der Kläger hat einen Schaden in Form eines unerwünschten Vertrages erlitten.
28Schaden im Sinne des § 826 BGB meint einen Vermögensschaden, der in jeder nachteiligen Einwirkung auf die Vermögenslage besteht. Dabei kann dahinstehen, ob das Fahrzeug des Klägers tatsächlich einen Wertverlust erlitten hat, nachdem die Funktionsweise der darin verbauten Motorsteuerungssoftware bekannt wurde. Ein Vermögensschaden im Sinne des § 826 BGB liegt nämlich auch bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung in der Belastung mit einer Verbindlichkeit aus einem Vertrag, wenn der Geschädigte diesen Vertrag ohne die haftungsbegründende sittenwidrige Beeinflussung des Schädigers nicht abgeschlossen hätte. Im Fall der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können.
29Vorliegend hat haftungsbegründendes Verhalten verfassungsmäßig berufener Mitarbeiter der Beklagten den Kläger zum Abschluss des Kaufvertrages vom 16.05.2014 bewegt, den er sonst nicht geschlossen hätte.
30Das haftungsbegründende Verhalten der verfassungsmäßig berufenen Mitarbeiter der Beklagten liegt im Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeuges mit der zwischen den beiden Modi (Testbetrieb und normaler Betrieb) wechselnden Motorsteuerungssoftware. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EU) Nr. 715/2007 handelt. Denn unstreitig sorgte die Motorsteuerungssoftware dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug lediglich auf dem – von der Software erkannten – Prüfstand im Modus 1, nicht aber im normalen Fahrbetrieb unter Modus 0 die Abgase dem Brennstoffgemisch wieder zuführt und erneut verbrennt, weshalb im normalen Fahrbetrieb der Schadstoffausstoß die Schadstoffstoffgrenzen der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht einhält. Gemäß Art. 4 Abs. 4 VO (EU) Nr. 715/2007 müssen die von den Herstellern zu ergreifenden technischen Maßnahmen zur Einhaltung der Schadstoffgrenzen jedoch sicherstellen, dass bei einem – wie vorliegend – nach dem 01.01.2009 zugelassenen Fahrzeug „die Auspuff- und Verdunstungsemissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeuges bei normalen Nutzungsbedingungen entsprechend dieser Verordnung wirkungsvoll begrenzt werden.“ Das ist bei Verwendung einer Motorsteuerungssoftware, die nur auf dem Prüfstand im Modus 1 agiert, nicht aber im normalen Fahrbetrieb, nicht der Fall. Damit hätte diesem Fahrzeug die EG-Typgenehmigung nicht erteilt werden dürfen.
31Im Ergebnis ist der Kläger durch die Verwendung dieser Motorsteuerungssoftware zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten weder darauf an, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendete Software einen Wertverlust erlitten hat, noch darauf, ob das streitgegenständliche Fahrzeug verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller tatsächlich emissionsarm und kraftstoffsparend ist. Ebenfalls dahin gestellt bleiben kann die formale Frage, ob die Angaben über die Emissionswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs zutreffend waren oder nicht. Auch die zwischen den Parteien streitige Frage, welche Faktoren und Informationen im Einzelnen für den Kläger kaufentscheidend gewesen sind, muss nicht aufgeklärt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Frage an, ob der Kläger das Fahrzeug (zu demselben Preis) auch dann gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass das streitgegenständlichen Fahrzeug mit dem streitgegenständlichen Dieselmotor EA 189 die EG-Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte den zuständigen Behörden die Existenz der Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware und damit dem Umstand, dass das Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb die Schadstoffstoffgrenzen der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht einhält, verheimlicht hat.
32Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger den Kaufvertrag vom 16.05.2014 nicht abgeschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass ihm im damaligen Zustand der Widerruf der EG-Typgenehmigung und die Stilllegung des Fahrzeuges drohte. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG-Typgenehmigung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben, selbst wenn mit dem Fahrzeug weder eine Wertminderung noch nachteilige Emissionswerte verbunden sind. Dafür spricht schon die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers – und damit auch des Klägers – erstrecken sich darauf, dass das erworbene Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und diese nicht durch illegale Mittel erreicht worden sind.
33Dass auch die Beklagte selbst hiervon ausgehen musste, lässt sich ohne weiteres aus dem Umstand ableiten, dass die Manipulation des Genehmigungsverfahrens verheimlicht wurde und die Beklagte nach Bekanntwerden ihr Bedauern über dieses Vorgehen zum Ausdruck gebracht hat.
34b. Diesen Schaden haben verfassungsmäßig berufene Mitarbeiter der Beklagten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt.
35Unter einer gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltensweise versteht man eine Handlung, die nach dem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies setzt eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens voraus, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann.
36Diese Anforderungen erfüllt das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten, die in die Dieselfahrzeuge des Typs EA 189 eine Motorsteuerungssoftware integrierten, welche erkannte, wenn das Fahrzeug sich im Prüfstand befand, um nur dann den Motor im speziellen Prüfstandmodus 1 zu betreiben, in welchem die Abgase dem Brennstoffgemisch wieder zuführt und erneut verbrennt wurden. Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Mitarbeiter der Beklagten folgt hier nach Überzeugung des Gerichts aus dem Umstand, dass diese Mitarbeiter diese spezielle Motorsteuerungssoftware in die Fahrzeuge integriert und verheimlicht und deshalb den unzutreffenden Eindruck erweckt haben, das betroffene Fahrzeug halte in dem Modus, in dem es auch im normalen Fahrtbetrieb fährt, die Schadstoffstoffgrenzen der VO (EG) Nr. 715/2007 ein. Hierbei kommt es nach Überzeugung des Gerichts nicht entscheidend darauf an, dass die erteilte EG-Typengenehmigung – aufgrund der Täuschung der Zulassungsbehörden – wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt ist, dass die in den Herstellerangaben angegebenen Werte, die unter Laborbedingungen gemessen werden, nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten verwerflich ist im Sinne von § 826 BGB ist, darauf abzustellen, dass die Mitarbeiter für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt, integriert und seine Existenz verschwiegen haben, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand. Auch wenn sich der europäische Gesetzgeber dafür entschieden hat, dass es für die EG-Typengenehmigung auf die Prüfstandswerte im NEFZ ankommt und allgemein bekannt ist, dass die Emissionsangaben der Hersteller unter Laborbedingungen gemessen werden, erfasst dieses Allgemeinwissen nur die Kenntnis, dass die im Labor gemessenen Grenzwerte unter anderen äußeren Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können, nicht jedoch die Kenntnis, dass die Laborwerte im Normalbetrieb (auch) deswegen nicht erreicht werden, weil das Fahrzeug dann ohne Wissen des Verbrauchers in einen anderen Betriebsmodus schaltet und der Abweichung der Emissionswerte zwischen Test- und Normalbetrieb eine nur zu diesem Zweck in die Motorsteuerungssoftware integrierte Umschaltlogik zugrunde liegt. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch daran, dass das Fahrzeug selbst andere Eigenschaften aufweist, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wurden, und die zur Folge haben, dass die Laborwerte auch ansatzweise nichts mehr mit den Realwerten auf der Straße zu tun haben.
37Die darüber hinaus für § 826 BGB nötige besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergibt sich aus dem Umstand, dass die Mitarbeiter der Beklagten die Manipulation in einer Vielzahl von Fällen bzw. in einer ganzen Motorserie vorgenommen hat. Die Beklagte ist größter Fahrzeughersteller und -exporteur Deutschlands, so dass von ihren Mitarbeitern vorgenommenen gezielten Manipulationen des Genehmigungsverfahrens geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte vorträgt, dass solche Auswirkungen tatsächlich nicht messbar seien, so kann dieser Umstand als erfreulich gewertet werden, ändert aber nichts daran, dass die Mitarbeiter der Beklagten ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls dem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten Streben nach Gewinn der Beklagten untergeordnet und damit verwerflich gehandelt haben.
38Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Mitarbeiter der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. Hierbei kann die Beklagte sich nicht damit entlasten, dass der Kläger letztlich nicht getäuscht worden sei, da das Fahrzeug technisch einwandfrei funktioniere, die gesetzlich vorgesehenen Grenzwerte für die EG-Typgenehmigung einhalte und ein Widerruf der Genehmigung nicht drohe. Irrelevant ist nach Überzeugung des Gerichts auch an dieser Stelle die Frage, ob das Fahrzeug tatsächlich keinen höheren Schadstoffausstoß hat bzw. die Frage, ob tatsächlich ein wirtschaftlicher Minderwert des Fahrzeugs vorhanden ist. Die Sittenwidrigkeit folgt vor allem daraus, dass die Manipulation heimlich vorgenommen wurde mit dem Ziel, eine Zulassung durch Täuschung zu erwirken. Wenn die Beklagte hier argumentiert, dass das Ziel der Gewinnmaximierung nicht zu beanstanden sei, so kann dies auch aus eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht für denjenigen gelten, der dieses Ziel mit illegalen Mitteln, Manipulation und Täuschung verfolgt, um sich Sondervorteile auch gegenüber anderen Autoherstellern zu verschaffen, die sich solcher illegaler Methoden nicht bedienen.
39Ebenfalls verwerflich ist es, dass die Mitarbeiter der Beklagte das Gewinnstreben über den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzte, da der tatsächliche Schadstoffausstoß bei Betrieb der Fahrzeuge im normalen Straßenverkehr deutlich höher liegt als während des Durchlaufens des Prüfzyklus.
40c. Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch nach § 31 BGB zuzurechnen.
41Die Haftung einer juristischen Person gemäß § 826 BGB erfordert, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat.
421) Die Zurechnung nach § 31 BGB beschränkt sich nicht auf das schuldhafte Handeln von Vorständen oder Organen im aktienrechtlichen Sinne. Der verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB muss weder Vertretungsmacht haben noch muss seine Bestellung eine satzungsmäßige Grundlage haben, denn der juristischen Person soll es nicht freistehen, darüber zu entscheiden, für wen sie nach § 31 ohne Entlastungsmöglichkeit haften will (BGH NJW 1982, 1144, 1145 für den Verein). Verfassungsmäßig berufene Vertreter können vielmehr auch Personen sein, deren Tätigkeit in der Vereinssatzung nicht vorgesehen ist, die keine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht haben oder deren Aufgabengebiet nicht innerhalb der geschäftsführenden Verwaltungstätigkeit der juristischen Person liegt (BGHZ 49, 19, 21). Es reicht aus, wenn dem Betreffenden üblicherweise den gesetzlichen Vertretern obliegende Aufgaben durch „allgemeine Betriebsregelung und Handhabung zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen wurden“ (BGH NJW 1977, 2259; BAG NJW 1997, 3261). Dem Vertreter müssen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sein, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert.
432) Es ist vorliegend unstreitig, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB Kenntnis davon hatte, dass die zwischen den beiden Modi (Prüfstandmodus und normaler Betrieb) wechselnde Motorsteuerungssoftware in die Dieselmotoren vom Typ EA 189 integriert wird und diese Fahrzeuge in den Verkehr gebracht werden, und die Integration dieser Software sogar angeordnet hat.
44Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zur entsprechenden Behauptung des Klägers trotz Hinweises des Gerichts nicht nachgekommen.
45a) Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft sie eine entsprechende sekundäre Darlegungslast. Die Beklagte selbst weist zutreffend darauf hin, dass eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
46Dies ist hier der Fall.
47Der Kläger hat keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Die Beklagte hingegen hat jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem Kläger zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können.
48Hinzu kommt, dass es vorliegend um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie in einem Weltkonzern geht. Einer solchen Manipulationsstrategie immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB in einem Weltkonzern vorgenommen und hierbei zugleich naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen sittenwidrigen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, kann es nicht Aufgabe des Geschädigten sein, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgern darzulegen.
49Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte im streitgegenständlichen Fall gegen die ihr obliegende sekundäre Darlegungslast nicht mit Erfolg argumentieren, dass diese angesichts der von ihr bestrittenen Kenntnis der Vorstandmitglieder letztlich zu einer gänzlichen Umkehrung der Regelungen zur Darlegungslast führt, weil die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nunmehr zu einer negativen Tatsache – nämlich der nicht vorhandenen Kenntnis von Vorstandsmitgliedern – vortragen müsse, obwohl selbst im Rahmen der primären Darlegungslast für den Vortrag zu negativen Tatsachen Erleichterungen gelten. Wenn die Beklagte sich darauf beruft, Erleichterungen müssten erst recht greifen, wenn sie nur im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu negativen Tatsachen vortragen müsse, vergisst sie, dass Anknüpfungspunkt für die sekundäre Darlegungslast konzerninterne Vorgänge sind, die von ihren Mitarbeitern bewusst verschleiert wurden mit dem Ziel, sich im Wege der Manipulation Sondervorteile zu verschaffen. In dieser Konstellation kommen Erleichterungen der sekundären Darlegungslast unter dem rechtlichen Anknüpfungspunkt des Vortrags zu negativen Tatschen nicht in Betracht, weil dem Geschädigten die Aufdeckung der bewusst verschleierten internen Zurechnung nicht zugemutet werden kann und die Beklagte andernfalls von ihrer erfolgreichen Verschleierungstaktik noch prozessual profitieren würde.
50Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass der Vorstand der Beklagten und der für die Entwicklung der Dieselmotorengeneration und deren Freigabe zur Fabrikation zuständige Mitarbeiter, bei dem es sich um einen verfassungsmäßig berufenen Vertretern der Beklagten handelt, weil ihm bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen worden waren, von der gezielten Verwendung der Softwaresteuerung für zwei Betriebsmodi Kenntnis hatten. Es gehört zur zentralen Aufgabe des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß (sogenannte „Compliance“) zu organisieren und zu führen. Im Hinblick auf die aktienrechtlichen Pflichten muss angenommen werden, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ-Prüfstand erscheint – auch unter Berücksichtigung des bei Entwicklung gegebenen Blickwinkels – als eine derart wesentliche Entscheidung. Da die Firma B. die Entwicklung einer Version der Motorsteuerungssoftware für jedes Fahrzeugmodell und jede Motorvariante der Motorengeneration EA 189 bei der Beklagten abgerechnet hat, müssen hierfür zudem entsprechende Budgets in Anspruch genommen worden sein.
51Schließlich ist es der Beklagten auch ohne weiteres möglich, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer: der Implementierung der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Erst dann hätte der Kläger weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen.
52b) Ihrer sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen.
53Angesichts des Zeitablaufs seit Entdeckung der Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware ist der Vortrag, die Beklagte habe das ihr Mögliche unternommen, um den Behauptungen des Klägers entgegenzutreten, unzureichend. Abgesehen davon, dass sich die Haftung der Beklagten nach § 31 BGB nicht auf Vorstände im aktienrechtlichen Sinne beschränkt, genügt auch der Vortrag, die Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse ergeben, dass ein Vorstand im aktienrechtlichen Sinn Kenntnis von der Manipulation gehabt hat, nicht den Anforderungen an eine sekundäre Darlegungslast. Der Sinn der sekundären Darlegungslast besteht gerade darin, der beweisbelasteten Partei weiteren Vortrag zu ermöglichen. Die Beklagte legt aber mit ihrem über ein einfaches Bestreiten kaum hinausgehenden Vortrag nicht dar, welche Erkenntnisse sie im Hinblick auf die interne Verantwortlichkeit die Ermittlungen erlangt hat. Damit kann die Klägerseite auch keinen weiteren Vortrag im Hinblick auf die Kenntnisse der entscheidenden Personen bringen.
54Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Sie kann sich hierbei auch nicht auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund des Zeitablaufs seit der Motorenentwicklung berufen. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen. Genau das macht aber die Dokumentation der entsprechenden Informationen erforderlich. Gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind zudem eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren und ihrer Steuerung für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen im Raum steht. Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teil des Vorstands getroffen wurde.
55Der Vortrag der Beklagten, sie „kläre gerade die Umstände auf“, wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei; hierfür habe sie unter anderem die Kanzlei J. D. mit einer Untersuchung beauftragt und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA 189 EU in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, ist unzureichend und genügt dem § 138 Abs. 1 ZPO mit Blick auf die sekundäre Darlegungslast nicht. Der Vortrag widerspricht schon den Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden von Ende März 2017 und dem Umstand, dass sich die Beklagte und die US-Regierung im Frühjahr auf der Grundlage des „Statement of Facts“ einen Vergleich geschlossen. Das „Statement of Facts“ beruht zu wesentlichen Teilen auf den Ergebnissen der internen Untersuchung von J. D. und das Department of Justice hätte ein solches Statement kaum auf der Grundlage noch laufender Ermittlungen veröffentlicht. Zudem hatte der Aufsichtsvorsitzende der Beklagten, P., Ende März 2017 in einem Interview erklärt, es gebe keinen schriftlichen Abschlussbericht von J. D. und es werde aus rechtlichen Gründen auch keinen geben, weil die US-Behörden nicht akzeptieren würden, dass die Beklagte einen eigenen Bericht erstelle. Das zeigt abermals, dass J. D. ihre internen Ermittlungen abgeschlossen hatte. Die Beklagte wollte nur nicht, dass J. D. die Ergebnisse ihrer Untersuchungen in einem Abschlussbericht zusammenfasst. Dass der Vorstand der Beklagten die Ergebnisse der internen Untersuchung – unabhängig von der Existenz eines Abschlussberichts – nicht kennt, ist weltfremd.
56d. Die verfassungsmäßig berufenen Mitarbeiter der Beklagten handelten auch vorsätzlich.
57Erforderlich hierfür ist im Rahmen von § 826 BGB die Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände. Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf oder die Kenntnis von der Person des Geschädigten ist nicht erforderlich.
58Da hier die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware alleine mit dem Ziel in die Motoren integriert wurde, das Genehmigungsverfahren zum Vorteil der Beklagten unzulässig zu beeinflussen und potentielle Käufer hierüber in Unkenntnis zu lassen, ist der Vorsatz der Mitarbeiter der Beklagten hinsichtlich der für den Tatbestand des § 826 BGB relevanten objektiven Tatsachen zu bejahen.
59e. Die Beklagte ist gemäß §§ 249 Abs. 1, 251 BGB verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als hätte er den streitgegenständlichen Kaufvertrag nicht abgeschlossen.
601) Die Beklagte ist daher verpflichtet, dem Kläger den an den Verkäufer gezahlten Kaufpreis von EUR 11.980,00 zu erstatten. Ferner hat die Beklagte dem Kläger die Kosten der Finanzierung eines Teils des Kaufpreises bei der S. Consumer Bank in Höhe von EUR 2.818,72 zu erstatten.
612) Auf diesen Schadensbetrag von EUR 14.798,72 muss sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als gezogenen Vorteil nicht anrechnen lassen.
62Auf der Grundlage der für die Bestimmung des Schadens geltenden Differenzhypothese können auch Vorteile, die dem Geschädigten im adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen, in die Schadensberechnung einzustellen sein. Dazu reicht jedoch die bloße adäquate Kausalität zwischen schädigendem Ereignis und Erlangung des Vorteils nicht aus. Durch die Anrechnung darf der Geschädigte auch nicht unzumutbar belastet und der Schädiger nicht unbillig entlastet werden. Schließlich muss die Anrechnung dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs entsprechen.
63Vorliegend widerspricht die Anrechnung dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm. Wie dargelegt schützt die Vorschrift des § 826 BGB vorliegend vor dem unerwünschten Vertrag und der Kläger ist wirtschaftlich so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht abgeschlossen. Müsste sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als Vorteil anrechnen lassen, würde er im Rahmen des Schadensersatzes wirtschaftlich am Kaufvertrag festgehalten. Der Eingriff in die durch § 826 BGB geschützte Dispositionsfreiheit würde nicht kompensiert, sondern perpetuiert. Faktisch würde man den unerwünschten Kaufvertrag im Rahmen des Schadensersatzanspruches in einen Mietvertrag umwandeln.
64Zudem würde die Anrechnung die Beklagte, die die Wertschöpfung des sittenwidrigen Warenabsatzes im Wege der Schadensberechnung zum Teil realisieren könnte, weil sich die Berechnung auch noch am vereinbarten – objektiv wohl überhöhten – Kaufpreis orientiert, unbillig entlasten (ebenso Heese, NJW 2019, 261).
65Die Ablehnung der Vorteilsanrechnung stellt auch keine dem System des BGB widersprechende „punitive damage“ dar. Vielmehr zeigt gerade § 142 Abs. 2 BGB, dass der arglistig täuschende Vertragspartner bei Anfechtung des Getäuschten im Zuge der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die erhaltene Leistung herausgeben muss, während der auf die Rückgewähr seiner Gegenleistung gerichtete Anspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen ist. Ferner wendet auch der BGH die Saldotheorie zu Lasten des arglistig Täuschenden nicht an. Das BGB kennt mithin sehr wohl den Anspruchsausschluss bzw. die Anspruchseinschränkung des arglistig Täuschenden. Es ist daher nicht systemfremd, dass der Kläger die Vorteile der Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht herausgeben muss.
67Jedenfalls nach Ablauf der mit Schreiben seiner Prozessvertreter vom 11.12.2017 gesetzten Frist zur Zahlung dieses Betrages am 18.12.2017 befand sich die Beklagte in Verzug.
II.
69Der Antrag zu 2 ist zulässig und begründet.
71Dem Kläger steht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an einer alsbaldigen Feststellung zur Seite. Zwar ist der Annahmeverzug kein Rechtsverhältnis, sondern eine bloße Tatbestandsvoraussetzung. Verlangt jedoch der Kläger – wie vorliegend – eine Verurteilung des Beklagten zu einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung, ergibt sich Feststellungsinteresse ausnahmsweise aus dem rechtlich schützenswertes Interesse an der Erleichterung der Zwangsvollstreckung (§ 274 BGB, §§ 756, 765 ZPO).
73Die Beklagte befindet sich gemäß §§ 293, 295 BGB jedenfalls seit dem 19.12.2017 im Annahmeverzug mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Pkw, nachdem die Prozessvertreter des Klägers der Beklagten mit Schriftsatz vom 11.12.2017 angeboten hatten, das streitgegenständlichen Fahrzeug beim Kläger abzuholen.
III.
74Der Antrag zu 3 ist nur in Höhe von EUR 1.029,35 nebst entsprechender Verzugszinsen begründet.
75Die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren sind als Kosten der notwendigen Rechtsverfolgung in Höhe von nur EUR 1.029,35 zu ersetzen. Auszugehen ist hierbei einerseits von einem Gegenstandswert in Höhe von EUR 14.798,72 und andererseits von einer 1,3-Geschäftsgebühr. Ein höherer Ansatz als die Mittelgebühr nach den hierfür geltenden Maßstäben (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – VI ZR 279/13 -, Rn. 20, NJW 2014, 3097) erscheint nicht angemessen. Angesichts des Umstandes, dass die Klägervertreter eine große Anzahl von Betroffenen vertreten und sowohl die vorgerichtlichen Aufforderungsschreiben als auch die Klageschriften fast ausschließlich aus Textbausteinen bestehen, hat der Kläger nicht dargelegt, dass seine Prozessvertreter den im Prozess deutlich gewordenen Aufwand bei der Durchdringung und Darstellung des Sachverhalts bereits vorprozessual und hierbei allein für ihn entfaltet habe. Der Verweis darauf, dass seine Klägervertreter auch täglich mehr als zwei Stunden lang die Presse auswerten, hilft dem Kläger mit Blick auf die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit nicht weiter.
76Aufgrund der Aufforderung im Schreiben seiner Prozessvertreter vom 11.12.2017 befand sich die Beklagte auch mit der Erstattung der vorgerichtlichen Gebühren jedenfalls mit Ablauf der Frist am 18.12.2017 in Verzug und ist verpflichtet, auch diese EUR 1.029,35 gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen.
IV.
77Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.