Gefragt worden ist, ob der Verschleißschutz von Bauteilen eine Abschalteinrichtung als zulässig rechtfertigen kann. Dafür müsste der Verschleißschutz sich als eine Einrichtung qualifizieren lassen, die notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten. Dieser Argumentation der Autoindustrie hat der EUGH in seinem Urteil vom 17.12.2020 eine klare Absage erteilt. Zum EuGH Urteil
Weiter spricht noch ein wesentlicher Punkt dagegen, dass sich die Autoindustrie sich überhaupt auf die Ausnahmeregelung stützen kann. Grundsätzlich ist der Antragsteller verpflichtet entsprechende Ausnahmetatbestände im Typengenehmigungsantrag detailliert zu beschrieben. Aufgrund dessen ist im Muster zur Beantragung von Typengenehmigungen auch angegeben, dass „Im Falle von Systemen, Bauteilen oder elektrisch gesteuerten getrennten technischen Einheiten sein deren Leistungsdaten anzugeben.“
Da die Abschalteirnichtungen jedoch in der Regel überhaupt nicht aufgeführt wurden, oder lediglich so rudimentär, dass keine Überprüfung stattfinden konnte, so können sich die Automobilhersteller auch nicht auf die Ausnahmegenehmigung berufen.
Seit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1989 in dem sogenannten Altöl-Fall ist gerichtliche geklärt: „Im Immisionsschutzrecht ist es Aufgabe des Antragsstellers die beabsichtigte Tätigkeit so klar und präzise zu darzustellen. Tut er dies nicht, so kann er sich später nicht auf entsprechende Ausnahmeregelungen berufen.“
Dies ist auch jedem Laien einleuchten, wenn dieser z.B. eine detaillierte Baugenehmigung erhält, so kann dieser nicht später noch Änderungen dran vornehmen, welche im Plan so nicht aufgeführt waren.
Ebenfalls ist auch das viel diskutierte Thermofenster in den meisten Ausgestaltungen rechtswidrig, da es gegen explizite Regelungen verstößt:
In Ergänzung zu den Vorgaben der Emissions-Basis-Verordnung finden sich in der Durchführungs-Verordnung 692/2008/EG weitere spezifische Vorgaben zur Funktion der NOx-Nachbehandlungseinrichtung, Art. 3 Abs. 9 VO 692/2008/EG erklärt zunächst in UAbs. 1, dass die Typ 6-Prüfung zur Messung der Emissionen bei niedrigen Temperaturen gemäß Anhang VIII nicht für Die- selfahrzeuge gilt. Um die dadurch entstandene Lücke zu schließen, enthalten die folgenden Unterabsätze folgende Regelungen (Herv. d.V.):
UAbs. 2. Bei der Beantragung einer Typgenehmigung belegen die Hersteller der Genehmigungsbehörde jedoch, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei – 7 °C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ord- nungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht, wie in der Prü- fung Typ 6 beschrieben.
UAbs. 3. Darüber hinaus macht der Hersteller der Genehmigungsbehörde An- gaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR), einschließlich ih- res Funktionierens bei niedrigen Temperaturen.
UAbs. 4. Diese Angaben umfassen auch eine Beschreibung etwaiger Auswir- kungen auf die Emissionen.
UAbs. 5. Die Genehmigungsbehörde erteilt keine Typgenehmigung, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehand- lungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht.
UAbs. 6. Auf Verlangen der Kommission legt die Genehmigungsbehörde An- gaben zur Leistung der NOx-Nachbehandlungseinrichtungen und des AGR- Systems bei niedrigen Temperaturen vor.
Zutreffend kommt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages vor dem Hintergrund dieser Vorschriften zu dem Ergebnis (S. 17):
Diese Regelungen belegen, dass nach der Durchführungs-Verordnung die NOx- reduzierenden technischen Elemente auch bei den genannten kalten Umgebungstemperaturen außer in den ersten 400 Sekunden nach einem Kaltstart ordnungsgemäß arbeiten und damit eine wirksame Emissionsreduzierung bewirken sollen.
Nachweispflichtig dafür, dass die vorgenannten Vorschriften erfüllt sind, ist der Antragsteller. Dass die entsprechenden Thermofenster rechtswidrig sind, müsste VW und die weiteren Hersteller spätestens nach der Strafzahlung in USA aus dem Jahre 1974 wissen. Hier wird beispielhaft auf Wikipedia ausgeführt:
„Bereits 1974 zahlte VW eine Strafe von 120.000 US-Dollar wegen eines Verstoßes gegen den Clean Air Act. Vier 1973er Modelle von VW nutzten Temperatursensoren zur Anpassung der Emissionen, ohne dass dies bei der Zulassung angegeben worden wäre. VW zahlte im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit der EPA, ein Rückruf fand nicht statt. Ähnliche umgebungstemperaturabhängige Defeat Devices fand die EPA im selben Jahr auch bei Chrysler, Ford, General Motors und Toyota.“
Mithin ist das Nutzen der Abschalteinrichtungen mithin klar unzulässig.