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Oberlandesgericht Naumburg hat am 17.10.2019 unter dem AZ: 7 U 24/19 VW im Abgasskandal zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
7 U 24/19 OLG Naumburg
10 O 371/18 LG Magdeburg
Verkündet am: 27.09.2019
We., Jfang. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte H. Rechtsanwälte PartG mbB, M. allee 38, 2. B.,
gegen
… AG,
vertreten durch den Vorstand,
vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. He. Di., B. Ring 2, 3. W.,
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte … Dr. Se., Dr. Fr., K-W.-Straße 40, 2. H.,
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Wegehaupt, die Richterin am Oberlandesgericht Göbel und die Richterin am Oberlandesgericht Linsenmaier auf die mündliche Verhandlung vom 06. September 2019
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. März 2019 verkündete Einzelrichterurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.583,96 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges VW Tiguan TDI R-Line, ….
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Übergabe und Übereignung des Pkw VW Tiguan TDI R-Line, … in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger 35 % und die Beklagte 65 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf eine Streitwertstufe bis 30.000,00 Euro festgesetzt.
A.
1Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin seines Fahrzeuges VW Tiguan TDI R-Line und des darin eingebauten Dieselmotors der Baureihe EA 189 EU 5 wegen Manipulation der Software für die Bemessung der Abgaswerte durch Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auf Schadensersatz in Anspruch. Ferner begehrt er die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Pkw im Annahmeverzug befinde und ihm zum Ersatz sämtlicher aus der Ausstattung des Fahrzeuges mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware resultierenden Schäden verpflichtet sei.
2Der Kläger erwarb am 14. März 2014 von dem Autohaus Halberstadt Jörg Brüggemann den streitbefangenen Pkw VW Tiguan 2.0 TDI R-Linie als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis von 25.490,00 Euro. Das Fahrzeug, das am 10. Mai 2010 erstzugelassen wurde, wies zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von 62.060 km auf.
3In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5 eingebaut, den die Beklagte in Kooperation mit der Robert Bosch GmbH entwickelte. In diesem Motor setzte die Beklagte eine Steuerungssoftware ein, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Die in dem Motor installierte Software zur Abgassteuerung bzw. Abgasreinigung weist zwei unterschiedliche Betriebsmodi auf, die die Abgasrückführung regeln: Der eine Betriebsmodus (Modus 1) ist hinsichtlich des Stickoxidausstoßes optimiert und sieht eine vergleichsweise hohe Abgasrückführungsrate vor. Er wird über die installierte Software allerdings nur dann automatisch aktiviert, wenn sich das Fahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. Die Software erkennt die Prüfstandsituation beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ), dem für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugimmissionen maßgeblichen Prüfverfahren, und verändert die Abgasaufbereitung, indem sie eine höhere Abgasrückführungsrate bewirkt, wodurch wiederum die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden können. Unter den Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, wird hingegen der partikeloptimierte Fahrmodus O aktiviert, der bei einer geringeren Abgasrückführungsrate zu einem höheren Stickstoffausstoß führt. Der Fahrzeugtyp verfügt über eine EG-Typengenehmigung für die Emissionsklasse EU 5 nach Vorgabe der VO (EU) Nr. 715/2007.
4Ab September 2015 wurde die Verwendung der Software mit den zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2015 ordnete das Kraftfahrtbundesamt gegenüber der Beklagten gemäß § 25 Abs. 2 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (im Folgenden: EG-FGV) nachträglich Nebenbestimmungen für die der Beklagten erteilte Typengenehmigung an. Die Beklagte wurde darin verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit Dieselmotoren vom Typ EA 189 die aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschalteinreichung zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsgemäßheit zu ergreifen.
5Die Beklagte startete daraufhin hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge eine Rückrufaktion und bot ein kostenloses Software-Update an, nach dem die Fahrzeuge nur noch im Fahrmodus 1 betrieben werden sollen. Das Kraftfahrtbundesamt bestätigte der Beklagten am 01. Juni 2016, dass der streitbefangene Fahrzeugtyp nach Aufspielen des Software-Updates gesetzeskonform sei. Auch ohne das Software-Update ist das streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers grundsätzlich fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung wurde bislang nicht entzogen. Das Kraftfahrtbundesamt sieht allerdings das Aufspielen des Software-Updates als verpflichtend an. Die Abgasreinigung wurde durch das mit dem Kraftfahrtbundesamt abgestimmte Software-Update dergestalt programmiert, dass sich ein Thermofenster ergibt, d.h. die Abgasreinigung funktioniert nur bei Temperaturen zwischen 10 ° und 32 ° Celsius. Bei Temperaturen unter 10 ° Celcius und über 32 ° Celsius findet eine Abgasreinigung hingegen nicht statt. Außerdem schaltet sich die Abgasreinigung ab einer Höhe von 1000 m aus.
6Der Kläger ließ das Software-Update wegen der Befürchtung etwaiger weiterer Schäden bislang nicht ausführen.
7Mit anwaltlichen Schreiben vom 14. Juni 2017 forderte er die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 03. Juli 2017 zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Pkw auf. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.
8Wegen der weitergehenden Einzelheiten zum Sach- und Streitstand erster Instanz, einschließlich der erstinstanzlichen Sachanträge der Parteien, nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug.
9Das Landgericht hat mit dem am 21. März 2019 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen die Beklagte wegen der Manipulation der Motorsteuerungssoftware in den Dieselmotoren vom Typ EA 189 EU 5 ein Schadensersatzanspruch zustünde. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch wegen einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB müsse ausscheiden, weil der Kläger nicht habe nachweisen können, dass ein Vorstandsmitglied der Beklagten gerade ihm gegenüber eine Täuschungshandlung begangen habe, da der Kläger das Fahrzeug als Zweitkäufer gebraucht von einem Autohaus erworben habe. Aber auch eine Schadensersatzhaftung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB komme nicht in Betracht, weil das Unterlassen einer für die Kaufentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt oder in Werbeankündigungen für sich genommen noch nicht verwerflich sei. Gegen die guten Sitten verstoße ein Verantwortlicher vielmehr nur dann, wenn er einen Kaufinteressierten durch eine bewusste Täuschung zum Kauf bewegt habe. Diese Situation könnte etwa bei einem Direktverkauf oder beim Verkauf von Neuwagen durch Händler an Erstkäufer vorliegen. Diese Überlegung gelte jedoch nicht für den Kläger, der ein mehrere Jahre altes Fahrzeug gebraucht als Zweitkäufer vom Händler gekauft habe. Das Landgericht hat des Weiteren ausgeführt, dass die Beklagte aus dem Kauf des Klägers vom Voreigentümer im Übrigen keinerlei Vorteile gezogen habe und insoweit auf einen Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichts Münchenvom 29. Januar 2019 (Geschäftsnummer 32 U 2720/18) Bezug genommen.
10Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit dem er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.
11Er rügt mit seiner Berufung, dass das Landgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer deliktischen Schadensersatzhaftung nach § 826 BGB in rechtlicher Hinsicht verkannt habe. Die Täuschungshandlung der Beklagten sei hier in dem Entwickeln und Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors EA 189 EU 5 mit der unzulässigen Motorsteuerungssoftware zu erblicken gewesen. Unerheblich sei dabei, ob diese Täuschungshandlung gegenüber dem Erst- oder wie hier dem Zweitkäufer verübt werde. Dass bei einem Vertragsabschluss Schädiger im Sinne des § 826 BGB nur der Vertragspartner des Kaufvertrages sein könne, dessen Rückabwicklung der Geschädigte begehre, finde weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung eine Grundlage. § 826 BGB liege im Übrigen ein völlig anderes Haftungsregime zugrunde als dem Kaufgewährleistungsrecht. Die Risikozuweisungen des Leistungsstörungsrecht werde dabei keineswegs „ausgehebelt“. Die deliktische Haftung nach § 826 BGB bewirke insbesondere den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit. Das Landgericht sei in dem angefochtenen Urteil überdies von einem unzutreffenden Verständnis von dem Schadensbegriff nach §§ 826, 249 Abs. 1 BGB ausgegangen. Denn das Landgericht habe verkannt, dass der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen zu verstehen sei und deshalb ein Pkw-Käufer auch bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden könne, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages bewegt worden sei, den er sonst nicht geschlossen hätte, weil die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar sei. Das nachträgliche Angebot eines Software-Updates habe den eingetretenen Schaden hier überdies nicht wieder kompensieren können. Zum einen komme es für die Feststellung des Schadens auf eine ex ante Betrachtung zum Zeitpunkt des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrages an, zum anderen müsse bestritten werden, dass das Update keine negativen Auswirkungen auf die Langlebigkeit bzw. Haltbarkeit des Motors und dessen Komponenten habe. Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Urteil des Weiteren ausgeführt habe, dass es keinerlei Vorteil der Beklagten durch den Kauf der Klagepartei vom Voreigentümer erkennen könne und deshalb einen Schädigungsvorsatz verneint habe, beruhe dies ebenfalls auf einer falschen Annahme. Der Vorteil der Beklagten habe hier vielmehr darin gelegen, dass sie sich aus rücksichtslosem Gewinnstreben heraus einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschafft habe. Die Fungibilität des Pkw in der Verkaufskette stelle einen wertbildenden Faktor dar, welcher der Beklagten als Herstellerin unmittelbar zugute gekommen sei. Die Beklagte habe überdies mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Insoweit habe er bereits in erster Instanz umfangreich dargelegt und unter Beweis gestellt, dass der Vorstand der Beklagten schon ab November 2006, jedenfalls aber seit Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Pkw, die Entscheidung zur Verwendung der manipulierten Software getroffen habe. Im Hinblick darauf, dass der Kläger keinen Einblick in die internen Entscheidungsprozesse und die Organisationsstruktur der Beklagten habe, sei ihm ein weitergehender Vortrag nicht möglich gewesen. Demgegenüber obliege der Beklagten allerdings eine sekundäre Darlegungslast, der sie indessen nicht ansatzweise genügt habe. Der pauschale Hinweis, es lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien, diese in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, sei jedenfalls unzureichend gewesen.
12Dem Kläger stünde im Übrigen zumindest gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach §§ 831 Abs. 1 S. 1, 249 BGB zu, sofern die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschaltvorrichtung für die Serienproduktion unterhalb der Repräsentantenebene auf der Arbeitsebene erfolgt sein sollte. Den Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB habe die Beklagte nämlich nicht geführt.
13Erstmals in der Berufungsinstanz trägt er überdies vor, dass bei Aufspielen des Software-Updates zugleich ein sog. Thermofenster programmiert worden sei, was ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, so dass hierdurch der eingetretene Schaden im Zusammenhang mit dem Software-Update perpetuiert worden sei. Er ist zudem der Ansicht, dass ein Abzug etwaiger anrechenbarer Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs unter Wertungsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt sei; lediglich hilfsweise lässt er sich einen Abzug der Gebrauchsvorteile – berechnet nach einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw von 500.000 km – auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis anrechnen. Die Beklagte wäre unangemessen und unbillig entlastet, wenn er sich Nutzungsersatz für zurückgelegte Kilometer mit dem streitbefangenen Pkw anrechnen lassen müsste, weshalb hier von einem Vorteilsausgleich abzusehen sei. Denn es könne in diesem Zusammenhang nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Pkw für die gewöhnliche Verwendung im Straßenverkehr von Beginn an nicht voll brauchbar gewesen sei. Dass das Fahrzeug für den Straßenverkehr zugelassen worden sei, beruhe auf dem deliktischen Handeln der Beklagten, wofür diese aber nicht im Rahmen einer Vorteilsanrechnung entlohnt werden dürfe. Indem die Beklagte im Zusammenhang mit dem Software-Update ein sog. Thermofenster installiert habe, habe sie im Übrigen erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet. Wegen dieser erneuten Manipulation („doppelter Betrug“) müsse der Beklagten aber nun erst recht ein Vorteilsausgleich durch Anrechnung der gezogenen Nutzungen versagt werden. Außerdem macht der Kläger eine Verzinsung der Kaufpreissumme in Höhe von 25.490,00 Euro seit Übergabe des Pkw am 02. April 2014 gemäß § 849 BGB geltend, denn es sei hier zugrunde zu legen, dass ihm der geleistete Kaufpreis täuschungsbedingt entzogen worden sei.
14Der Kläger beantragt,
das am 21. März 2019 verkündete Einzelrichterurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abzuändern und
1.die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 25.490,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 02. April 2014 bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit sowie in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2019 zu zahlen;
hilfsweise: abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Euro pro gefahrenen Kilometer seit dem 02. April 2014, die sich nach folgender Formel berechnet:
(25.490,00 × gefahrene km : 500.0000 km)
Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges VW Tiguan TDI R-Line …
2.festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Übergabe und Übereignung des Pkw VW Tiguan TDI R-Line … in Annahmeverzug befindet;
3.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus der Ausstattung des Fahrzeuges VW Tiguan TDI, R-Line, … mit der manipulierenden Motorsteuerungssoftware resultieren;
4.die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung gegenüber der Beklagten weitere 1.242, 84 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Die Beklagte beantragt,
1.die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen;
2.die Berufung zurückzuweisen.
16Sie rügt bereits die Zulässigkeit der Berufung und meint, die Berufungsbegründung des Klägers genüge nicht den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Der Begründungsschriftsatz des Klägers beschränke sich ganz überwiegend auf formelhafte, augenscheinlich aus Textbausteinen zusammengesetzte, substanzarme Ausführungen zu den Anspruchsgrundlagen, die nicht auf den konkreten Streitfall zugeschnitten seien. So zitiere er aus Urteilen in Parallelverfahren, ohne einen konkreten Bezug zu dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt herzustellen und aufzuzeigen, inwieweit die zitierten Entscheidungen auf den vorliegenden Fall übertragbar seien.
17In der Sache verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvorbringens. Sie meint, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach §§ 826, 31 BGB zustünde. Denn es fehle bereits an einer von der Beklagten verübten Täuschung des Klägers, der das Fahrzeug als Gebrauchtwagen von einem Dritten erworben habe. Eine Täuschung durch aktives Tun habe sie schon deshalb nicht begehen können, weil sie an den Kaufvertragsverhandlungen mit dem Kläger selbst nicht beteiligt gewesen sei. Mit dem Anbieten eines Kaufgegenstandes sei im Übrigen auch nicht die konkludente Erklärung verbunden, dass die Sache frei von Mängeln sei oder den gesetzlichen Bestimmungen bzw. den Qualitätsanforderungen des Gläubigers entspreche. Eine haftungsrechtlich relevante Täuschung durch Unterlassen müsse ausscheiden, denn als Herstellerin des Motors habe ihr auch keine Pflicht zur Aufklärung des Klägers über die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware oblegen, zumal die durch die zuständige Behörde für das streitgegenständliche Modell vor Vertragsschluss erteilte EG-Typengenehmigung nach wie vor Bestand habe und zu keiner Zeit aufgehoben worden sei. Anders als der Kläger meine, müssten überdies auch im Rahmen des deliktischen Haftungstatbestandes die Risikozuweisungen des Leistungsstörungsrechts wertend berücksichtigt werden. Sie ist insoweit der Ansicht, dass insbesondere den Wertungen des Kaufrechts aus § 323 Abs. 5 S. 2 BGB und des Vorranges der Nacherfüllung Rechnung getragen werden müsse. Sei nämlich schon innerhalb eines Vertragsverhältnisses einer Vertragspartei ein Rücktritt nach Maßgabe des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB verwehrt, müsse dies erst recht für den Fall gelten, dass keine Vertragsbeziehung zwischen den Parteien bestehe. Die Bejahung der Sittenwidrigkeit würde anderenfalls nämlich zu einer gewährleistungsrechtlich gefärbten, „rücktrittsähnlichen“ Direktklage gegen den Fahrzeughersteller führen, was aber so von dem Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei.
18Überdies könne hier aber auch nicht von einem ihr zurechenbaren Schädigungsvorsatz ausgegangen werden. Der Kläger habe das Fahrzeug als Zweitkäufer von einem Dritten erworben. In dieser Konstellation scheide ein konkreter Schädigungsvorsatz aber von vornherein aus. Für die Beklagte sei bei Herstellung und Auslieferung des Fahrzeuges nicht vorhersehbar gewesen, dass der Kläger den Pkw einige Jahre später als Gebrauchtwagen erwerben werde. Der Kreis aller potentieller Käufer sei zu unbestimmt, um sie in eine Haftung nach § 826 BGB einzubeziehen. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Beklagte als Automobilherstellerin damit rechnen müsste, dass die von ihr produzierten Neufahrzeuge zu einem noch nicht absehbaren späteren Zeitpunkt möglicherweise gebraucht gehandelt würden, reiche dieses völlig allgemeine Bewusstsein nicht für einen Vorsatz nach § 826 BGB aus. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger habe im Übrigen nicht ausreichend substantiiert dazu vorgetragen, welches Vorstandsmitglied bzw. welches Organ der Beklagten im Sinne des Aktienrechts zu welchem Zeitpunkt von dem Einbau der Software überhaupt Kenntnis gehabt habe. Eine Wissenszurechnung bzw. mosaikartige Wissenszusammenrechnung durch Berücksichtigung des Wissens sonstiger Mitarbeiter der Beklagten analog § 166 BGB sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Rahmen deliktischer Schadensersatzansprüche jedenfalls ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast seien nicht erfüllt. Denn es fehle bereits an einem schlüssigen Tatsachenvortrag des Klägers, der eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten überhaupt erst auslösen könnte. Ein weitergehender Sachvortrag dazu, welche Personen von der Entwicklung der Umschaltlogik und ihrer Verwendung gewusst hätten, sei ihr zudem nicht zumutbar. Die Darlegung einer negativen Tatsache könne im Rahmen der sekundären Darlegungslast nämlich nicht gefordert werden. Außerdem liefe eine entsprechende Darlegungsverpflichtung auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Ungeachtet dessen sei die Beklagte ihrer sekundären Behauptungslast aber auch im Streitfall nachgekommen. Insoweit behauptet sie, dass ihr keine Erkenntnisse vorliegen würden, dass ihre damaligen Vorstandsmitglieder den Einsatz der Umschaltlogik gebilligt, geschweige denn angeordnet und geduldet hätten.
19Sie ist der Ansicht, dass es schließlich aber auch an der Kausalität zwischen einer angeblichen Täuschung durch die Beklagte und der Kaufentscheidung des Klägers fehlen würde. Dass er sich über den NOx-Ausstoß seines Fahrzeuges im Prüfstand irgendwelche Vorstellungen gemacht habe, sei weder dargetan noch ersichtlich.
20Außerdem lasse sich weder nach der Differenzhypothese noch nach deren normativen Korrektur ein Vermögensschaden des Klägers feststellen. Der Pkw sei zu jeder Zeit fahrbereit und nutzbar gewesen. Er habe insbesondere durchgängig über die für seine Emissionsklasse erforderliche EG-Typengenehmigung verfügt. Nur dann, wenn die Nachteiligkeit des Vertrages nachgewiesen sei, könne aber ein Vermögensschaden angenommen werden. Anderenfalls würde man die bloße Kausalität schon mit einem Schaden gleichsetzen. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe durch das Bekanntwerden der Software indessen keinen Wertverlust erlitten. Die Preise am Gebrauchtwagenmarkt seien durch die Umschaltlogik bzw. deren technischen Überarbeitung nicht beeinträchtigt worden. Bei dem hier vorliegenden Drei-Personen-Verhältnis von vermeintlich Geschädigtem, verkaufendem Händler und Hersteller müsse ferner die Wertung des § 123 Abs. 2 S. 1 BGB Berücksichtigung finden. Überdies sei ein etwaiger Schaden zumindest durch das Software-Update beseitigt worden. Hierzu behauptet sie, dass sich durch das Update keine negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemission ergeben würden, wie auch das Kraftfahrtbundesamt durch seine Freigabeerklärung bestätigt habe. Der Freigabebestätigung komme als öffentliche Urkunde Beweiskraft im Sinne des § 417 ZPO zu. Soweit der Kläger nun erstmals in der Berufungsinstanz auch das Thermofenster als eine unzulässige Abschalteinrichtung anführe, sei er mit diesem neuen Vorbringen nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zu präkludieren. Jedenfalls aber würden die in den EA-189-Motoren zum Einsatz kommenden Thermofenster keine unzulässige Abschaltvorrichtung darstellen. Sie seien vielmehr aus Gründen des Motorenschutzes und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig gewesen und damit nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a) VO (EG) 715/2007 zulässig. Die verwendete „Ausrampstrategie“ habe die Beklagte gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt im Rahmen des Freigabeprozesses des Software-Updates im Übrigen offengelegt. Dass das Landgericht zudem einen deliktischen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB verneint habe, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe weder bei Abschluss des Kaufvertrages irgendwelche Erklärungen gegenüber dem Kläger abgegeben noch habe sie den Kläger durch Unterlassen der gebotenen Aufklärung getäuscht. Eine Garantenpflicht folge insbesondere nicht aus Ingerenz. Anhaltspunkte, die darauf hinweisen könnten, dass der Pkw aufgrund der installierten Umschaltlogik einen erheblichen Wertverlust erlitten habe, seien weder dargetan noch ersichtlich. Das Kraftfahrtbundesamt habe vielmehr bestätigt, dass sämtliche betroffenen Fahrzeuge weiterhin voll fahrtauglich seien und von den Fahrzeughaltern ohne jegliche Einschränkung verwendet werden könnten. Sie meint deshalb, dass sie den Kläger keineswegs über die konkrete Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges getäuscht habe. Außerdem sei zu beachten, dass es bei der Feststellung der Abgaswerte allein auf das Emissionsverhalten unter den Testbedingungen des sog. NEFZ-Prüfstandes ankomme.
21Sie ist der Ansicht, dass sich der Kläger zumindest die aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen müsse. Der von Klägerseite geforderte Verzicht auf einen Nutzungsersatz sei mit dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot dagegen nicht vereinbar. Außerdem meint sie, dass der Kläger eine Verzinsung des geleisteten Kaufpreises nach § 849 BGB nicht verlangen könne. Die Zuerkennung eines Zinsanspruchs würde dem Normzweck des § 849 BGB widerstreiten, zumal der Kläger keinen Wertverlust durch die Hingabe des Geldes erlitten habe, da er hierfür das Eigentum und Nutzungsrecht an dem streitbefangenen Fahrzeug erworben habe. Ein Zinsanspruch nach § 849 BGB sei im Übrigen im Streitfall schon deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger den Pkw nicht direkt von der Beklagten, sondern von einem Autohaus erworben habe.
22Wegen des weitergehenden Sachvortages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 06. September 2019 hat das streitgegenständliche Fahrzeug eine Gesamtfahrleistung von 135.860 km aufgewiesen.
B.
I.
24Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Anders als die Beklagte meint, vermag die Berufungsbegründung des Klägers den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO noch zu genügen.
251. Zu Recht weist die Beklagte allerdings darauf hin, dass von einer Berufungsbegründung zu verlangen ist, dass sie für das Berufungsgericht erkennbar werden lässt, auf welche nach § 513 ZPO zulässigen Gründe der Berufungsführer sein Änderungsbegehren, das die Berufungsanträge nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO festlegen, stützen will. Die Begründungsschrift muss neben den Berufungsanträgen die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt sowie konkrete Anhaltspunkte vortragen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb neue Feststellungen gebieten; außerdem sind die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel zu bezeichnen und die Tatsachen anzuführen, aufgrund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel zuzulassen sind (in Anknüpfung an BGH, Beschluss vom 10. Juli 1990, XI ZB 5/90, MDR 1990, 1003 = NJW 1990, 2628; Beschluss vom 26. Juli 2004, VIII ZB 29/04, NJW-RR 2004, 1716). Die Begründung muss dabei auf den zur Entscheidung stehenden Streitfall konkret zugeschnitten sein und aufzeigen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkten das angefochtene Urteil unrichtig ist (vgl. BGH NJW 1990, 2628; BGH NJW-RR 2004, 1716; BGH, Beschluss vom 5. März 2007 – II ZB 4/06, NJW-RR 2007, 1363; Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., Rdn. 35 zu § 520 ZPO). Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihnen entgegensetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 – XI ZB 41/06, MDR 2008, 994; BGH, Urteile vom 18. Juni 1998 – IX ZR 389/97, NJW 1998, 3126, vom 24. Juni 2003 – IX ZR 228/02, NJW 2003, 3345 und vom 14. November 2005 – II ZR 16/04, NJW-RR 2005, 499, 500). Formularmäßige Sätze und Redewendungen genügen ebenso wenig wie Textbausteine und Schriftsatzpassagen aus anderen Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008, XI ZB 41/06, MDR 2008, 994; Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., Rdn. 35 zu § 520 ZPO). Lässt die Berufungsbegründung nicht erkennen, inwieweit das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird und setzt sich die gesamte Berufungsbegründung nicht mit der Argumentation des Landgerichts auseinander, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, erfüllt die Berufung in formeller Hinsicht nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Berufung (vgl. BGH NJW-RR 2004, 1716; OLG Koblenz, Beschluss vom 14. Januar 2014 – 3 U 587/13 – juris).
262. Diesen Erfordernissen trägt die Berufungsbegründung des Klägers im Streitfall allerdings Rechnung.
27Die Beklagte beanstandet zwar zu Recht, dass sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung offensichtlich verschiedener Textbausteine bedient hat, die aus Schriftsätzen zu anderen Berufungsparallelrechtsstreitigkeiten entstammen dürften. Ungeachtet dessen lässt sich der Berufungsbegründung aber durchaus entnehmen, inwiefern er das angefochtene Urteil des Landgerichts für unrichtig erachtet und eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt. Er hat sich in seiner Berufungsbegründung keineswegs nur darauf beschränkt, das landgerichtliche Urteil mit bloß formularmäßigen Sätzen und Redewendungen als falsch zu rügen. Mit den Ausführungen des Landgerichts, das eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB bzw. aus §§ 826, 31 BGB mangels einer Täuschungshandlung abgelehnt hat, hat er sich vielmehr inhaltlich auseinandergesetzt und seine eigene Rechtsansicht hierzu dargelegt. So erläutert er, aus welchem Grund er die Beklagte für anspruchsverpflichtet hält, und trägt insbesondere zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung konkret vor. Eine hinreichende Individualisierung auf den konkreten Fall und eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung sind insoweit noch erkennbar.
II.
28Die zulässige Berufung des Klägers hat – unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs durch die fortgesetzte Nutzung des Fahrzeuges – auch in der Sache überwiegend Erfolg und führt zu einer Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts.
29Die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung des Senats (§ 513 ZPO).
30Der Kläger kann von der Beklagten als Hersteller des streitbefangenen Fahrzeuges samt Dieselmotors der Baureihe EA 189 EU 5 unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkw VW Tiguan 2.0 TDI verlangen. Er muss sich allerdings die von ihm gezogenen Fahrzeugnutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anspruchsmindernd anrechnen lassen.
311. Die Beklagte haftet dem Kläger wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung nach §§ 826, 31 BGB auf Schadenersatz.
32Die Beklagte bzw. ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt, indem sie den mit der manipulierten Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 produzierte und in Verkehr brachte.
33a) Die schädigende Verletzungshandlung der Beklagten liegt hierbei in dem Inverkehrbringen des mit dem streitgegenständlichen Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 versehenen Fahrzeuges VW Tiguan TDI R-Line, dessen Motorsteuerungssoftware so programmiert war, dass sie den Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeuges auf einen Prüfstand im Neuem Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) erkannte und die Abgasbehandlung in den sogenannten Modus 1 versetzte. Damit hat die Beklagte zugleich sämtliche potenzielle Kunden getäuscht, die von der Installation dieser Software keine Kenntnis haben. Der Vertrieb eines Fahrzeuges mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung stellt eine konkludente Täuschung dar (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019, 16 U 146/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 19 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 – NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257ff).
34Bevor ein Kfz-Hersteller berechtigt ist, ein Fahrzeug für die Nutzung im Straßenverkehr auf den Markt zu bringen, hat er die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren erfolgreich zu durchlaufen. Insbesondere ist die EG-Typengenehmigung durch das Kraftfahrtbundesamt als zuständiger Behörde (§ 2 EG-FGV) einzuholen und eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen (§ 27 Abs. 1 EG-FGV). Stellt das Kraftfahrtbundesamt bzw. die Vehicle Certification Agency (VCA) nach Erteilung einer formell wirksamen EG-Typengenehmigung fest, dass ein Fahrzeug nicht die materiellen Voraussetzungen für den genehmigten Typ einhält, können zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge zum einen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV Nebenbestimmungen zur EG-Typengenehmigung angeordnet oder gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV die EG-Typengenehmigung ganz oder teilweise widerrufen werden. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung (im Folgenden: FZV) dürfen Fahrzeuge nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie auch zum Verkehr zugelassen worden sind, was gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 FZV voraussetzt, dass sie einem genehmigten Typ entsprechen. Wird die EG-Typengenehmigung entzogen oder mit Nebenbestimmungen versehen, entspricht das Fahrzeug – im Falle von Nebenbestimmungen bis zur Nachrüstung – keinem genehmigten Typ mehr. Die Zulassungsbehörde kann dem Eigentümer oder Halter dann gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen.
35Mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeuges bringt der Fahrzeughersteller zum Ausdruck, dass das Produkt den behördlichen Zulassungsprozess ohne Manipulation durchlaufen hat und die erforderlichen Genehmigungen und Zulassungen zu Recht erteilt worden sind. Der Kunde darf davon ausgehen, dass der von ihm erworbene PKW die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen auch nicht durch Täuschung erwirkt worden sind. Entsprechend dieser selbstverständlichen Käufererwartung ist der Inverkehrgabe des Fahrzeuges der Erklärungswert beizumessen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typengenehmigung vorlagen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18; OLG Köln, Beschluss vom 29. November 2018 – 18 U 70/18, BeckRS 2018, 36568; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 5 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237).
36b) Dem Kläger ist durch diese Täuschung ein Schaden entstanden, denn er hat in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware das streitgegenständliche, mit der Abschaltvorrichtung ausgerüstete Fahrzeug erworben und insoweit einen für ihn wirtschaftlich nachteiligen Kaufvertrag mit dem Händler abgeschlossen, da der PKW jedenfalls nicht seinen berechtigten Vorstellungen entsprochen hat (vgl. ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019, – 16 U 146/18, zitiert nach juris, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510).
37Der haftungsbegründende Schaden liegt im Abschluss des PKW-Kaufvertrages, wobei es – entgegen der Ansicht der Beklagten – weder darauf ankommt, ob das Fahrzeug im Erwerbszeitpunkt aufgrund der unzulässigen Abschalttechnik objektiv weniger wert, insbesondere ob es technisch nutzbar und ohne Wertverlust wieder verkäuflich gewesen wäre, noch darauf, ob die spätere Nachbesserung solche etwaigen Einbußen ausgleichen könnte. Ausreichend ist allein, dass der Vertrag im Zeitpunkt seines Zustandekommens normativ als für einen vernünftigen Käufer nachteilig anzusehen ist.
38Der Senat kann dementsprechend letztlich dahingestellt sein lassen, ob durch das Verhalten der Beklagten ein messbarer Wertverlust am streitgegenständlichen Fahrzeug eingetreten ist und auch, ob durch die Nachbesserungsmaßnahmen der Beklagten, nämlich das Software-Update, ein etwaiger Mangel am Fahrzeug vollständig beseitigt werden konnte.
39aa) Ein Schaden in diesem Sinne liegt nicht nur dann vor, wenn sich beim Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, im Sinne der Differenzhypothese ein rechnerisches Minus ergibt, sondern auch dann, wenn der irregeführte Geschädigte durch eine auf sittenwidrigem Verhalten beruhende ungewollte Verpflichtung belastet ist, selbst wenn dieser eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, VI ZR 15/14 Rn. 9, NJW-RR 2015, 275, 276 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004, VI ZR 306/03, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, Rn. 41 zu § 826 BGB; Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 260). Auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, ist die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn die Differenzhypothese muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, zumal sie nur eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Erforderlich ist insoweit eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 Rdn. 9, NJW-RR 2015, 275, 276 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, zitiert nach juris). Da Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff schon im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand – auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung – dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 Rn. 9, NJW-RR 2015, 275, 276 m.w.N.; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, zitiert nach juris, Lehre vom subjektiven Schadenseinschlag). Maßgebend ist insoweit, dass der abgeschlossene Vertrag, nämlich die Eigenschaften des Kaufgegenstandes, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entsprach und die Leistung deshalb für seine Zwecke nicht voll nutzbar war (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 – VI ZR 15/14 Rn. 9, NJW-RR 2015, 275, 276 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, zitiert nach juris). Neben etwaigen wirtschaftlichen Nachteilen sind folglich auch die enttäuschte Erwartung und die Zweckverfehlung als Schaden anzusehen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Dabei ist gemäß allgemeinen Grundsätzen auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses abzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris).
40bb) Nach diesen Grundsätzen stellt die Belastung mit dem bei Kenntnis der Softwaremanipulation nicht geschlossenen Pkw-Kaufvertrag und der damit eingegangenen Kaufpreiszahlungsverpflichtung den Schaden dar.
41(1) Der erworbene Pkw ist im Hinblick auf die darin installierte Motorsteuerungssoftware mit einem erheblichen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB behaftet gewesen, was der Bundesgerichtshof in seinem Hinweisbeschluss vom 08. Januar 2019 (Geschäftsnummer VIII ZR 120/17) bestätigt und damit begründet hat, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei, aufgrund derer die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bei Abschluss des Kaufvertrages bestanden habe und es damit an der Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung (Nutzung im Straßenverkehr) fehlen dürfte.
42Dass es sich bei der von der Beklagten installierten Software um eine verbotene Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 handelt, folgt aus dem an die Beklagte gerichteten bestandskräftigen Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes vom 15. Oktober 2015. Das Kraftfahrtbundesamt hat darin zu der für das streitgegenständliche Antriebsaggregat erteilten EG-Typengenehmigung nachträglich Nebenbestimmungen erlassen, die dazu dienen sollen, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Das Kraftfahrtbundesamt ist in der Begründung seines Bescheides nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den Einwendungen der Beklagten dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass eine „unzulässige Abschalteinrichtung“ vorliegt, deren Beseitigung erforderlich ist. Auf die in dem Bescheid angeführte Argumentation des Kraftfahrtbundesamtes nimmt der Senat nach eigener kritischer Prüfung Bezug.
43Der Bundesgerichtshof hat in dem in Bezug genommenen Hinweisbeschluss vom 08. Januar 2019 die in dem Fahrzeug der Klägerin installierte Software, die bei erkanntem Prüfstandlauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert, dementsprechend ebenfalls als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007des Europäischen Parlaments und des Rats vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171 vom 29. Juni 2007) qualifiziert. Denn die Software, die aufgrund technischer Parameter erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Immissionswerte befindet, aktiviere oder deaktiviere die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtige. Soweit Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO (EG) 715/2007 in bestimmten Ausnahmefällen die Verwendung von Abschalteinrichtung gestatte, seien die hierfür erforderlichen engen Voraussetzungen nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, zitiert nach juris).
44Angesichts der nach Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) 715/2007 in unzulässiger Weise installierten Abschalteinrichtung weist das Fahrzeug des Klägers mithin keineswegs die Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf. Der vernünftige Durchschnittskäufer erwartet, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, dass das betreffende Kraftfahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig ist. Dabei geht er nicht nur davon aus, dass das Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt, sondern auch, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch Täuschung erwirkt hat. Der Käufer darf gesetzeskonformes Verhalten des Herstellers voraussetzen. Seine berechtigten Erwartungen erstrecken sich dabei auch auf die ordnungsgemäße Erwirkung aller letztendlich für den Betrieb des erworbenen Fahrzeuges im Straßenverkehr erforderlichen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen ohne eine Manipulation, mag der Käufer sich auch bis zum Bekanntwerden der Manipulationen selbst keine konkreten Vorstellungen von den einzelnen technischen Einrichtungen, rechtlichen Voraussetzungen und Zulassungen und Genehmigungsverfahren gemacht haben (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris). Ein Käufer eines solchen Dieselfahrzeuges darf insbesondere davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxid-Ausstoß reduziert wird.
45Das streitgegenständliche Fahrzeug genügte dagegen weder zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger den Kaufentschluss fasste, noch bei Abschluss des Kaufvertrages den gesetzlichen Anforderungen. Die Abgaswerte des Fahrzeuges entsprachen im normalen Fahrzeugbetrieb nicht jenen, die aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwartet werden durften. Zwar musste der Kläger davon ausgehen, dass die für die EG-Typengenehmigung unter Laborbedingungen im Prüfstand ermittelten Werte im realen Alltagsfahrbetrieb in der Regel nicht erreicht werden können. Die Mangelhaftigkeit resultiert aber nicht etwa daraus, dass die unter Laborbedingungen im Prüfstandlauf gemessenen Werte im Realbetrieb nicht eingehalten werden, sondern basiert darauf, dass der Motor die Vorgaben im Prüfstand nur aufgrund der manipulierten Software einhält (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 2018, 7 O 212/16, zitiert nach juris). Der Käufer muss jedoch nicht damit rechnen, dass die normale Abweichung zwischen Testlauf und Realbetrieb durch den Einsatz einer Software noch zusätzlich vergrößert wird und eine Vergleichbarkeit der Abgaswerte von anderen Fahrzeugtypen dadurch gänzlich ausgeschlossen ist. Ebenso muss er nicht damit rechnen, dass er den neu erworbenen PKW einem Software-Update unterziehen muss, um nicht zu riskieren, dass ihm die Betriebserlaubnis entzogen wird.
46Da bei Kraftfahrzeugen, die entgegen zwingender unionsrechtlicher Vorschriften eine installierte Abschalteinrichtung aufweisen, zur Herstellung ihrer Vorschriftsmäßigkeit eine entsprechende Nachrüstung erforderlich ist, sieht sich der Halter eines solchen Fahrzeuges, solange eine ordnungsgemäße Nachrüstung noch nicht durchgeführt worden ist, einer drohenden Betriebsbeschränkung oder Untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, VIII ZR 224/17, zitiert nach juris). Die im Falle einer noch nicht erfolgten Nachrüstung zumindest latent bestehende Gefahr einer Betriebsuntersagung oder Beschränkung durch die Zulassungsbehörde hätte aus kaufrechtlicher Sicht zur Folge, dass bei den betroffenen Fahrzeugen die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen ist. Denn eine entsprechende Eignung ist einer Kaufsache nicht erst dann abzusprechen, wenn ihre Tauglichkeit ganz aufgehoben, sondern bereits dann, wenn ihre Eignung herabgesetzt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, m.w.N., zitiert nach juris). Von einer solch verminderten Eignung ist aber bei Fahrzeugen, die mit noch nicht nachgerüsteten Motoren des Typs EA 189 EU 5 ausgestattet sind, auszugehen. Denn der Käufer eines solchen Fahrzeugmotors musste zunächst jederzeit damit rechnen, es aufgrund behördlicher Anordnung nicht mehr im öffentlichen Straßenverkehr nutzen zu dürfen. Dies dürfte unabhängig davon gelten, ob die im jeweiligen Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde bereits eine entsprechende Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV ausgesprochen hat oder eine solche zunächst unterblieben ist. Die den Käufer an der gewöhnlichen Verwendung hindernde Beschaffenheit liegt nämlich nicht erst in der behördlich verfügten Untersagung des Betriebs, sondern bereits in der durch die unzulässige Abschalteinrichtung hervorgerufenen Möglichkeit eines entsprechenden behördlichen Eingreifens (vgl. BGH, Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, m.w.N., zitiert nach juris).
47Der Kläger hat insoweit ein Fahrzeug erworben, das zwar primär seinem Erfordernis, am Straßenverkehr teilzunehmen, genügt. Es verfügte aber über eine Einrichtung, bei deren Bekanntwerden die Typgengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilt worden wäre. Aufgrund dieser Einrichtung unterlag es einer Rückrufaktion. Ohne Durchführung weiterer Maßnahmen – nämlich eines Software-Updates – drohte die Betriebsuntersagung. Zweck des Erwerbs war aber die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr, ohne dass durch weitere Maßnahmen eine drohende Betriebsuntersagung abzuwehren gewesen wäre.
48(2) Dass unter normalen Umständen, d.h. insbesondere für den gewöhnlichen Privatgebrauch, kein verständiger Autokäufer ein Kraftfahrzeug erwirbt, welches zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den entscheidenden gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und dessen Hersteller die behördenseits gleichwohl erteilte Typengenehmigung durch Täuschung erschlichen hat, steht außer Zweifel. Auch der Kläger hätte von dem Kaufvertrag Abstand genommen, wenn er vor dem Kauf gewusst hätte, dass allein mit einer Manipulation die Typgengenehmigung erlangt werden konnte und tatsächlich eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Er müsste nämlich befürchten, dass das Kraftfahrtbundesamt die Typengenehmigung gemäß § 25 Abs. 3 EG FGV ganz oder teilweise widerruft, was in der Folge zu einer Betriebsuntersagung durch die zuständige Zulassungsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 und Abs. 2 FZV führen könnte (vgl. LG Wuppertal, Urteil vom 16. Januar 2018, 4 O 295/17zitiert nach juris). Der Abschluss eines Kaufvertrages über ein solcherart mangelhaftes Fahrzeug begründet letztlich im Hinblick auf die mit der Erforderlichkeit der Geltendmachung von Mängelrechten verbundene Vermögensgefährdung einen Schaden, denn der Kläger hat nicht das bekommen, was ihm aufgrund des Kaufvertrages an sich zugestanden hätte, nämlich ein technisch einwandfreies und den gesetzlichen Bestimmungen vollständig entsprechendes Fahrzeug (vgl. ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510).
49cc) Der entstandene Schaden wird hier auch nicht dadurch kompensiert, dass die Beklagte dem Kläger ein Software-Update angeboten hat, selbst wenn nach dem Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes keine negativen Auswirkungen des Updates auf die Motorkonfiguration zu befürchten sein sollen und sich durch die Entwicklung des Software-Updates und die Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge letztlich das Risiko eines Entzugs der Typengenehmigung in der Folge nicht verwirklichte. Für die Frage, ob ein Schaden in tatbestandlicher Hinsicht eingetreten ist, kommt es nämlich allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Zu diesem Zeitpunkt war der Schadenseintritt jedoch bereits erfolgt. Das später von der Beklagten zur Erfüllung der vom Kraftfahrtbundesamt bzw. der VCA angeordneten Nebenbestimmungen zur EG-Typgengenehmigung entwickelte Software-Update ist insoweit nicht zu berücksichtigen und rechtlich lediglich als Angebot der Schadenswiedergutmachung zu bewerten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19 zitiert nach juris). Da der Schadensersatzanspruch des Klägers bereits mit dem Erwerb des Fahrzeuges entstanden und auf Restitution durch Rückabwicklung des Kaufs gerichtet ist, kann in der Ausstattung des Fahrzeuges mit dem vom Kraftfahrtbundesamt erzwungenen Software-Update keine Erfüllung des Schadensersatzanspruchs liegen. Dem entspricht es, dass § 826 BGB gerade die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Geschädigten schützt, ohne dass es darauf ankäme, dass sich der Wertverlust bereits realisiert hätte (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 25, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/19; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18 zitiert nach juris; hierzu kritisch: Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105). Dem Deliktsrecht ist eine Nacherfüllungsverpflichtung, wie sie das Kaufgewährleistungsrecht kennt, nämlich fremd (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Wie bereits ausgeführt, liegt der Schaden, dies ist die Konsequenz der Abweichung von der strengen Differenzhypothese, nicht in einem Minderwert oder einer konkreten Funktionsbeeinträchtigung des Fahrzeuges, sondern eben im Abschluss des Vertrages als solchem. Die Bindung an den Vertrag, deren Beseitigung der Kläger im Rahmen des Schadensersatzes beansprucht, würde mit der Nachrüstung des Fahrzeuges aber nicht entfallen (vgl. LG Lüneburg, Urteil vom 12. Februar 2019 – 9 O 140/18, zitiert nach juris). Der vorsätzliche sittenwidrige Schädiger kann sich seiner Haftung mithin nicht dadurch entziehen, dass er bei Entdeckung der Täuschung eine Möglichkeit der Schadensbehebung anbietet und dass sich das Risiko, dass das Fahrzeug stillgelegt wird oder für eine gewisse Zeit nicht nutzbar ist, nicht verwirklicht hat.
50Im Übrigen mag durch das Software-Update die Gesetzeskonformität des Fahrzeuges nachträglich hergestellt werden, allerdings zum Preis einer technisch veränderten Motorenkonfiguration. Ob und welche Auswirkungen diese veränderte technische Konfiguration haben könnte, kann der Kläger als Laie letztlich nicht beurteilen. Jedenfalls handelt es sich nach Aufspielen des Software-Updates um ein anderes Fahrzeug als dasjenige, was er ursprünglich erworben hat (vgl. ebenso: LG München, Urteil vom 29. März 2019 – 13 O 5153/18 zitiert nach juris). Das streitgegenständliche Fahrzeug bleibt zudem – auch nach dem Aufspielen des Software-Updates – als vom sog. Abgasskandal betroffener Pkw mit einem Makel behaftet, was zur Überzeugung des Senats auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens als feststehend angenommen werden kann. Das Oberlandesgericht Köln hat in seinem Beschluss vom 20.12.2017 (Geschäftsnummer 18 U 112/17) zum Minderwert betroffener Fahrzeuge trotz Software-Update ausgeführt, dass es in der Natur der Sache liege und allgemein bekannt sei und deshalb keiner weitergehenden Feststellungen nach Durchführung einer Beweisaufnahme bedürfe, dass ein PKW, dessen Zulassung auf dem Einsatz einer Manipulationssoftware sowie einer entsprechenden Täuschung seitens des Motorherstellers beruht und dessen fortgesetzter Betrieb im Straßenverkehr der Entwicklung sowie des Einsatzes einer bis dahin noch nicht vorhandenen Software und der Freigabe der Software seitens des Kraftfahrtzeugbundesamtes bedarf, am Fahrzeugmarkt schwerer absetzbar ist als ein PKW, der keinen Unsicherheiten dieser Art ausgesetzt ist. Wollte die Beklagte anderes behaupten, müsste sie der letztlich infrage stehenden Zulassung eines Fahrzeugs für den Betrieb im Straßenverkehr und den hierfür maßgebenden Faktoren jede Bedeutung für den Verkehrswert eines doch für den Betrieb im Straßenverkehr bestimmten Pkw absprechen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20. Dezember 2017 – 18 U 112/17). Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich auch der Senat an.
51dd) Soweit der Kläger erstmals im Rahmen des Berufungsverfahrens vorgetragen hat, dass die Beklagte mit dem Software-Update zugleich die Abgasreinigung dergestalt hat programmieren lassen, dass sich hieraus ein sog. „Thermofenster“ ergibt, ist dieser neue Tatsachenstoff in zweiter Instanz zwar zuzulassen gewesen. Da die Beklagte die Tatsache, dass der streitgegenständliche Motor nach Aufspielen des Software-Updates ein Thermofenster aufweist, unstreitig gestellt hat, ist das diesbezügliche neue Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, ohne dass es auf die Zulassungsvoraussetzungen nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO ankommt (BGH, MDR 2005, 527; BGH FamRZ 2005, 1555; Heßler in Zöller, ZPO, 32. Aufl., Rdn. 20 zu § 531 ZPO).
52Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Verwendung eines Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, durch die der eingetretene Schaden perpetuiert wird, kann der Senat indessen letztlich dahingestellt sein lassen. Da – wie bereits ausgeführt – nämlich schon in dem Inverkehrbringen eines Fahrzeuges mit einer Umschaltlogik eine schadensersatzrechtlich relevante Täuschungshandlung zu erblicken ist, die bei dem Fahrzeugkäufer einen Schaden bewirkt, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites im Ergebnis nicht darauf an, ob das mit dem Software-Update programmierte Thermofenster ebenfalls als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 S. 1 EG-VO 715/2007 zu bewerten ist oder ob das Thermofenster eine zum Schütze des Motors vor Beschädigung oder Unfall notwendige Maßnahme darstellt und damit der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 a) VO 715/2007/EG unterfällt. Eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung wird bei Verwendung eines Thermofensters allerdings jedenfalls nur dann angenommen werden können, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer solchen Einrichtung hinaus zugleich Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dies von Seiten des Herstellers auch gerade in dem Bewusstsein geschah, hiermit gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß auch billigend in Kauf genommen wurde (dies verneinend: OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2019 – 10 U 134/19, WM 2019, 1704).
53c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann auch ein Kausalzusammenhang zwischen der Täuschung und dem bei dem Kläger eingetretenen Schaden nicht verneint werden. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Täuschung über die relevanten Abgaswerte für den nachfolgenden Kaufvertragsabschluss ursächlich geworden ist.
54aa) Die zwischen den Parteien in erster Instanz streitige Frage, welche Faktoren und Informationen im Einzelnen für den Kläger letzten Endes kaufentscheidend gewesen sind, muss dabei nicht aufgeklärt werden. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger den PKW zu demselben Preis auch dann gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug die EG-Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte das Testverfahren mit einer Abschaltvorrichtung manipuliert hatte. Der Senat verneint dies angesichts der Softwaremanipulation. Es war die Beklagte, die das Antriebsaggregat, welches die unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet, entwickelt, die Motorsteuerungssoftware gezielt programmiert und den Dieselmotor EA 189 EU 5 in den Verkehr gebracht hat. Wie bereits ausgeführt, liegt hierin eine aktive Täuschung potentieller Käufer über die Zulassungsfähigkeit des Fahrzeuges. Insofern können aber die im Rahmen des § 123 BGB aufgestellten Grundsätze zum Nachweis der Kausalität entsprechend herangezogen werden. Denn durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen ist bei dem Kunden ein Irrtum erregt worden, der ihn zum Vertragsschluss bestimmt hat (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, zitiert nach juris, Rdn. 28; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris; LG Krefeld, Urteil vom 11. April 2018, 2 O 290/17 zitiert nach juris). Für die Annahme eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Täuschungshandlung und Abgabe der Willenserklärung genügt dann in der Regel, dass der Geschädigte Umstände dartut, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein können, und die vorsätzliche Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art der des zu beurteilenden Rechtsgeschäftes Einfluss auf die Entschließung auszuüben pflegt. Liegen derartige Voraussetzungen vor, kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür gegeben sein, dass die Täuschung Einfluss auf die Entschließung des Getäuschten genommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2011 – IV ZR 5/10, VersR 2012, 1129 Rn. 40 m.w.N.; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 28 zitiert nach juris; LG Osnabrück, Urteil vom 28. Juni 2017, 1 O 29/17 zitiert nach juris).
55Davon ist hier auszugehen. Der Kläger hat schlüssig vorgetragen, dass er ein Kraftfahrzeug mit einer solchen Manipulationssoftware nicht erworben hätte, zumal das Risiko für den Entzug der Betriebserlaubnis bestand. Dies entspricht im Übrigen auch der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach kein vernünftiger Käufer ein mangelhaftes Kraftfahrzeug zum ungeminderten Kaufpreis kaufen und sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG-Typengenehmigung einlassen würde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; LG Heilbronn, Urteil vom 02. Mai 2018, 6 O 401/17; LG Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2018, 7 O 212/16 zitiert nach juris; LG Krefeld, Urteil vom 11. April 2018, 2 O 290/17, zitiert nach juris). Aus objektiv verständiger Sicht sind die Umweltverträglichkeit und insbesondere die Gesetzmäßigkeit eines Fahrzeuges für die Kaufentscheidung überdies durchaus von Bedeutung, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen hierüber getroffen wurden (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2018, 7 O 212/16 zitiert nach juris). Denn unabhängig von der Frage, ob es dem Kläger tatsächlich maßgeblich darauf ankam, ein besonders schadstoffarmes Fahrzeug zu erwerben, darf nach der Lebenserfahrung jedenfalls angenommen werden, dass er zumindest ein solches Fahrzeug erwerben wollte, welches den gesetzlichen Bestimmungen entspricht (ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510). Es hätte insoweit der Beklagten oblegen, im Einzelnen darzulegen, warum gerade bei dem Kläger dieses Maß an lebensnaher Betrachtung nicht eingreifen soll und so Zweifel zu begründen. Daran fehlt es indessen.
56Dass letztlich auch die Beklagte selbst hiervon ausgegangen ist, lässt sich ohne Weiteres aus dem Umstand ableiten, dass sie die planmäßige Manipulation des Genehmigungsverfahrens gezielt verschleiert hat. Den gegen sie streitenden Anscheinsbeweis für die Kausalität der Täuschungshandlung vermochte die Beklagte jedenfalls nicht zu erschüttern.
57Der Senat braucht danach aber im Ergebnis nicht zu entscheiden, ob daneben auch die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens wegen Bestehens einer Aufklärungspflicht der Beklagten eingreifen würde (so Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 261; a.A. Oechsler, Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber Fahrzeugherstellern im Abgasskandal, NJW 2017, 2865).
58bb) Dass der Kläger das Fahrzeug nicht unmittelbar von der Beklagten erworben hat, sondern als Zweitkäufer gebraucht von einem Autohändler, stellt den Kausalzusammenhang zwischen konkludenter Täuschung und Fahrzeugerwerb nicht in Frage. Denn die Beklagte hat den Kausalverlauf bereits durch das Inverkehrbringen des mit einer manipulierten Motorsteuerung ausgestatteten Fahrzeuges bewusst unter Einschaltung ihres Vertriebssystems in Gang gesetzt. Hätte die Beklagte nämlich nicht die unternehmerische Entscheidung getroffen, dass die mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 EU 5 in die von ihr produzierten Fahrzeuge eingebaut werden, wäre der Pkw mangels Typengenehmigung gar nicht auf den deutschen Markt gelangt und hätte es der Kläger im Jahr 2014 nicht erwerben können. Die mit dem Inverkehrbringen des Motors verbundene konkludente Täuschung über das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen für die EG-Typengenehmigung dauert insofern an, weil hinsichtlich derartiger Angaben der Fahrzeughändler lediglich das durch den Hersteller vermittelte Wissen weitergibt und der Käufer insoweit auf die Herstellerangaben sowie auf die Seriosität des Motorherstellers vertraut. Denn auch bei Gebrauchtwagenkäufen bilden die allgemeinen Herstellerangaben und die Typengenehmigung letztlich die Grundlage des Erwerbsgeschäfts. Auch in diesem Kontext täuscht die Beklagte die Beteiligten eines Gebrauchtwagenkaufs. Die Täuschung wirkt bei allen weiteren Verkäufen in der Käuferkette vor Aufdeckung der Abschalteinrichtung auch außerhalb des unmittelbaren Herrschaftsbereichs der Beklagten fort (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 7 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237).
59cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Anforderungen an die Feststellung eines Kausalzusammenhangs zwischen deliktischer Verletzungshandlung und Eintritt des Schadens nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof hat zwar in seinem Urteil vom 19. Juli 2004 (Geschäftsnummer II ZR 218/03) entschieden, dass es im Rahmen deliktischer Schadensersatzansprüche keine Beweiserleichterungen oder Vermutungen für einen Kausalzusammenhang zwischen sittenwidriger Handlung und dem Eintritt eines Schadens geben könne, sondern stets der konkrete Nachweis im jeweiligen Einzelfall geführt werden müsse. Diese Entscheidung betrifft indessen eine besondere Fallkonstellation aus dem Kapitalanlagenrecht. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung zum Kapitalanlagenrecht geht es um die Haftung aus § 826 BGB aufgrund fehlerhafter ad hoc Mitteilung. Die strengen Anforderungen an den Kausalitätsnachweis knüpfen zum einen an die Besonderheiten des Aktienkaufs an, der von vielfältigen rationalen und irrationalen Faktoren, insbesondere auch spekulativen Elementen, beeinflusst wird. Auch sind die Wirkungen einer ad hoc Mitteilung auf die Anlageentscheidung, insbesondere deren Dauer aufgrund der vielfältigen kursbeeinflussenden Faktoren jeweils einzelfallbezogen zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 218/03, zitiert nach juris). Würde man an das enttäuschte allgemeine Anlegervertrauen in die Integrität der Marktpreisbildung anknüpfen, so würde dies zu einer uferlosen Ausweitung des ohnehin offenen Haftungstatbestandes nach § 826 BGB führen (vgl. BGH, Urteil vom 04. Juni 2007 – II ZR 173/05, zitiert nach juris).
60Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Zwar mag auch die Entscheidung für den Kauf eines bestimmten Fahrzeugmodells auf einem Motivbündel beruhen. Anders als beim Aktienkauf droht hier aber keine dem Zweck der Haftungsnorm widersprechende, uferlose Ausweitung der Haftung nach § 826 BGB (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris).
61d) Ein Vermögensschaden des Klägers ist schließlich auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil diesem gegenüber der Fahrzeugverkäuferin daneben Ansprüche aus kaufrechtlicher Gewährleistung zugestanden haben. Kaufgewährleistungsansprüche sind nicht geeignet, den im Abschluss des Vertrages liegenden Schaden zu kompensieren. Das Vertragsrecht mit Ansprüchen gegenüber dem Vertragspartner einerseits und das Deliktsrecht mit einer Haftung gegenüber einem vom Vertragspartner verschiedenen Schädiger sind voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen, die in freier Anspruchskonkurrenz selbständig nebeneinander bestehen. Dieses Nebeneinander ist durch die besonderen einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen der deliktischen Haftungsnormen gerechtfertigt. Deren Regelungszweck würde aber unterlaufen, wenn der deliktsrechtlich relevante Schaden durch Gewährleistungsansprüche kompensiert und damit ausgeschlossen würde (vgl. ebenso: OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237).
62e) Den Schaden des Klägers hat die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt.
63aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine vertragliche Pflicht oder das Gesetz verletzt und hierdurch einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 124/12, a.a.O. Rn. 8 m.w.N.). Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es dabei auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als besonders verwerflich rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8 für die Verleitung zum Vertragsbruch; BGH, Urteil vom 22. Juni 1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3174 für die Erteilung einer bewusst unrichtigen Auskunft aus eigennützigen Interessen). Die Verwerflichkeit kann sich dabei auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 für das Erschleichen eines Wohnungsbauförderungsdarlehens durch Falschangaben; BGH, Urteile vom 3. Dezember 2013 – XI ZR 295/12, a.a.O. Rn. 24; vom 28. Februar 2005 – II ZR 13/03, a.a.O.). In Bezug auf das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (vgl. Oechsler in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2014, Rdn. 31 zu § 826 BGB).
64bb) Nach diesen Maßstäben begründet das Inverkehrbringen der manipulierten Dieselmotoren das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit.
65(1) Allein die Tatsache, dass die Beklagte die Abgasnormen des EU-Rechts verletzt und insbesondere gegen §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FVG verstoßen haben könnte, genügt nach dem Vorgesagten zwar noch nicht, um hieraus einen Sittenverstoß herzuleiten, zumal der vom Käufer erlittene Schaden vom Schutzzweck der Abgasnormen nicht erfasst ist, da die EG-Verordnung nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen zu dienen bestimmt ist. Wie bereits ausgeführt, liegt in der behaupteten Entwicklung und Verwendung sowie dem Verschweigen von Abschaltvorrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystem verringern, ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigungen von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenwagen und Nutzfahrzeugen (Euro fünf und Euro sechs) und über den Zugang zu Reparatur und Wartungsinformation der Fahrzeuge. Wie die Erwägungsgründe der Verordnung erkennen lassen, dient dies aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern rein gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarktes durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Etwaige Vermögensschäden der Käufer von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschaltvorrichtung fallen insoweit nicht in den Schutzbereich der Norm (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Februar 2018 – 27 U 2793/17; OLG München, Beschluss vom 22. Februar 2018 – 27 U 2827/17; OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17).
66(2) Auch das Gewinnstreben der Beklagten ist für sich gesehen grundsätzlich nicht verwerflich und kann ihrem Handeln allein noch nicht das Gepräge der Sittenwidrigkeit verleihen. Die Verfolgung eigener wirtschaftlicher Interessen bei der Ausübung von Rechten gilt selbst dann noch nicht als unbillig, wenn damit eine Schädigung Dritter verbunden ist.
67(3) Hinzutreten muss vielmehr stets eine nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des Anstandsgefühls zu beurteilende besondere Verwerflichkeit des Verhaltens, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung und den eingetretenen Folgen ergeben kann.
68Davon ist hier jedoch angesichts der planmäßigen und systematischen Täuschung von öffentlichen Kontrolleinrichtungen und weltweit Millionen Fahrzeugkäufern auszugehen. Die Sittenwidrigkeit folgt dabei aus einer Zweck-Mittel-Relation, der hierin zu Tage tretenden Gesinnung und dem Ausmaß der Schädigung. Die Beklagte hat nämlich nicht einfach gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung vielmehr ein System zur gezielten Verschleierung ihres Vorgehens gegegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Sie hat ganze Modellgruppen von Dieselmotoren planmäßig und systematisch so konstruiert, dass dadurch gegenüber den Zulassungsbehörden zur Erlangung der Typengenehmigung vorgespiegelt wurde, dass die gesetzlich vorgesehenen Immissionsgrenzwerte im Regelbetrieb tatsächlich nicht überschritten werden. Neben Fahrzeugen der Marke VW sind auch Fahrzeuge der Marken Audi, Skoda und Seat betroffen, in denen der Motor des Typs EA 189 mit der Motorsteuerungssoftware zum Einsatz kam. Die Beklagte hat hierdurch eine den gesamten Weltmarkt betreffende Manipulation der behördlichen Zulassungsprüfung in Gang gesetzt, um die eigenen und die mit den von ihr konstruierten Motor ausgestatteten Autos ihrer Tochtergesellschaften so kostengünstiger und/oder attraktiver als sonst möglich auf den Markt zu bringen. Durch den Vertrieb der Fahrzeuge samt Übereinstimmungsbescheinigungen wurde diese Täuschung im Rechtsverkehr verfestigt. Die Beklagte hat sich dabei das Vertrauen der Käufer in den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit auch in die Objektivität der staatlichen Behörde, nämlich hier des Kraftfahrtbundesamtes, zunutze gemacht und deren Arglosigkeit planmäßig ausgenutzt (vgl. ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Als ein weiteres Element der Sittenwidrigkeit ist in die Gesamtschau einzustellen gewesen, dass die Beklagte gerade mit einer besonderen Umweltverträglichkeit ihrer Produkte öffentlich geworben hat und damit den einzelnen Käufer eines VW-Fahrzeuges in den Glauben bestärkte, positiver als andere einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, während genau das Gegenteil der Fall ist (vgl. ebenso: OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Das Bestreben der Kunden nach umweltbewusstem Verhalten hat sie durch gezielte Täuschung systematisch unterlaufen.
69Soweit die Beklagte einwendet, der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass es zur Erlangung der EG-Typengenehmigung allein auf die im Testbetrieb erzielten Laborwerte ankomme und allgemein bekannt sei, dass die in den Herstellerangaben angegebenen Abgaswerte, die unter Laborbedingungen im Prüfstand gemessen werden, nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen könnten, vermag sie dies keineswegs zu entlasten. Für die Entscheidung, ob sich das Verhalten der Beklagten als verwerflich im Sinne von § 826 BGB darstellt, ist nämlich darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren ein Betriebsmodus entwickelt und heimlich eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck gerade in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand. Das Allgemeinwissen der Verbraucher beschränkt sich im Übrigen allein auf die Kenntnis, dass die im Labor gemessenen Grenzwerte unter den normalen äußeren Rahmenbedingungen in der Regel so nicht erreicht werden können, nicht jedoch darauf, dass die Laborwerte im Normalbetrieb auch deswegen nicht erreicht werden können, weil das Fahrzeug dann ohne Wissen des Verbrauchers in einen anderen Betriebsmodus schaltet und der abweichende Immissionswert zwischen Test- und Normalbetrieb auf einer nur zu diesem Zweck konstruierten Manipulationssoftware beruht. Soweit beim Testverfahren im Labor andere Messwerte erzielt werden, liegt dies im Allgemeinen daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch daran, dass das Fahrzeug bzw. dessen Motor im Prüfstand selbst andere Eigenschaften aufweist, die dem Verbraucher jedoch bewusst verschwiegen wurden (vgl. LG Heilbronn, Urteil vom 2. Mai 2018, 6 O 401/17, zitiert nach juris).
70Der Beklagten ist insoweit vorzuwerfen, dass sie im großen Stil und mit erheblichem technischen Aufwand im eigenen Profitinteresse zentrale gesetzliche Umweltvorschriften ausgehebelt und mit dem Inverkehrbringen des manipulierten Dieselmotors zugleich ihre Kunden und Fahrzeugerwerber gezielt getäuscht hat (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2018, 7 O 212/16; LG Bielefeld, Urteil vom 16. Oktober 2017, 6 O 149/16 zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272 ff; Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 259). Andere Motive für die rechtswidrige Installation der Software und planmäßige Verschleierung des Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden als eine Kostensenkung und eine damit verbundene Gewinnmaximierung sind dabei nicht denkbar. Es erscheint jedenfalls lebensfremd, dass die Beklagte eine Software in die von ihr entwickelten und vertriebenen Dieselmotoren installiert, verbunden mit dem Risiko, die Zulassung der Fahrzeuge nicht zu erhalten und sich strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, ohne dass sie sich hiervon einen eigenen wirtschaftlichen Nutzen verspricht. Soweit die Beklagte hiergegen damit argumentiert, dass das Ziel der Profitmaximierung als solches zulässig sei und der Vorwurf der Sittenwidrigkeit die Haftung aus § 826 BGB anderenfalls zu stark auf die Fälle eines mangelhaften Verkaufsgegenstandes ausdehnen würde, überzeugt dieser Einwand nicht. Denn dies kann nicht für denjenigen gelten, der dieses Ziel mit illegalen Mitteln, nämlich Manipulation und Täuschung, verfolgt, um sich Sondervorteile zu verschaffen. Die Grenze wird dort überschritten, wo die an sich legalen Ziele mit verwerflichen Mitteln zu erreichen versucht werden. Ein Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Millionen Fahrzeugkunden verleiht dem Handeln der Beklagten dabei ohne weiteres das Gepräge der Sittenwidrigkeit. Gerade im Hinblick auf das hierfür eingesetzte Mittel, nämlich die planmäßige Täuschung einer öffentlichen Stelle und der potentiellen Kunden in einer immensen Vielzahl von Fällen bzw. bezüglich einer gesamten Motorserie, ist das Verhalten aber als besonders verwerflich anzusehen (vgl. ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018, 27 U 10/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2019 – 10 U 135/19, Rdn. 79, WM 2019, 1704 ff; LG Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2018, 7 O 212/16; LG Wuppertal, Urteil vom 16. Januar 2018, 4 O 295/17 zitiert nach juris; LG Heilbronn, Urteil vom 02. Mai 2018, 6 O 401/17 zitiert nach juris; LG Bielefeld, Urteil vom 16. Oktober 2017, 6 O 149/16zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272; Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 259; Oechsler, Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber Fahrzeugherstellern, NJW 2017, 2865). Ein Unternehmen, das meint, seine Wettbewerbsfähigkeit am Markt nur durch planmäßigen und systematischen Betrug gegenüber den Aufsichtsbehörden und Kunden aufrechterhalten zu können, verdient das moralische Unwerturteil der Sittenwidrigkeit, zumal die Konsequenzen für die Gebrauchstauglichkeit des Kfz für den Kunden im maßgeblichen Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Motoren auch noch völlig unabsehbar waren (vgl. Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 259).
71Für den Kläger bestand als Verbraucher und technischen Laien auf dem Gebiet der Automotoren im Übrigen auch keine Möglichkeit, die Täuschung aufzudecken. Überdies handelt es sich bei dem Kauf eines Pkw für viele Verbraucher um eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Entscheidung. Die Ahnungslosigkeit der Verbraucher und deren Vertrauen in die von einer öffentlichen Institution erteilte Typengenehmigung hat die Beklagte gezielt zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt, um hohe Absatzzahlen für ihre Motoren zu erzielen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 09. Februar 2018 – 7 O 212/16 zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272).
72Zur Sittenwidrigkeit trägt weiter bei, dass die Beklagte die Täuschung über Jahre hinweg aufrechterhalten hat und die Aufklärung nicht etwa aus dem Unternehmen der Beklagten heraus betrieben wurde, sondern erst Raum griff, als die Beweislage bereits erdrückend wurde. Die Entwicklung des Software-Updates veranlasste die Beklagte auch erst nach dem Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 – NJW 2019, 2237).
73Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofes zum Kapitalanlagerecht vom 28. Juni 2016 (Geschäftsnummer VI ZR 536/15, NJW 2017, 250) dagegen ausführt, die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Voraussetzungen für die Sittenwidrigkeit seien hier nicht erfüllt, überzeugt dies nicht. Der dortige, zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs stehende Fall unterscheidet sich vom vorliegenden Sachverhalt nämlich schon darin, dass dort eine bewusste Täuschung durch den Vorstand gerade nicht festgestellt werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, Rn. 22). Auch im Übrigen lassen sich die von dem Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28. Juni 2016 zum Kapitalanlagerecht entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht übertragen (vgl. im Einzelnen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18 Rdn. 38).
74f) Der Beklagten ist in subjektiver Hinsicht ein Schädigungsvorsatz vorzuwerfen. Ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter bzw. Organe wussten um die die Sittenwidrigkeit begründenden Tatumstände und nahmen diese billigend in Kauf, hinsichtlich des bei dem Kläger eingetretenen Schadens handelten sie zumindest mit bedingtem Vorsatz.
75aa) Der nach § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement und muss sich neben den dem Sittenwidrigkeitsurteil zugrunde liegenden Tatsachen auch auf die Schadenszufügung erstrecken, nicht hingegen auch auf das daraus gezogene Sittenwidrigkeitsurteil der Rechtsordnung. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchsstellers erkannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250), was grundsätzlich der Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Ausreichend ist, wenn der Schädiger die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken konnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und billigend in Kauf genommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1990, VI ZR 6/90, NJW 1991, 634; BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, II ZR 402/02).
76Zwar ist, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, Voraussetzung für die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB, dass ihr Vorstand bzw. ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 31 BGB persönlich den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250). Was die Kenntnis des damaligen Vorstandes der Beklagten bzw. deren verfassungsmäßigen Vertreter über die Manipulation der Motorsteuerungssoftware anbelangt, können die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit juristischen Personen entwickelten Grundsätze der Wissenszurechnung und mosaikartigen Wissenszusammenrechnung nach § 166 BGB im Rahmen der deliktischen Haftung hingegen keine Anwendung finden, worauf die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung ebenfalls zutreffend hingewiesen hat. Denn selbst wenn zur Begründung des Wissenselementes des Schädigungsvorsatzes auch im Recht der unerlaubten Handlung eine Wissenszusammenrechnung entsprechend § 166 BGB zulässig wäre, fehlt es aber jedenfalls am sog. Wollenselement. Die zumindest billigende Inkaufnahme der Schädigung eines anderen setzt damit korrespondierende Kenntnisse derselben Person voraus und kann deshalb nicht losgelöst von diesen beurteilt werden. Sind die maßgeblichen Kenntnisse auf mehrere Personen innerhalb einer juristischen Person verteilt und ist nicht festgestellt, wer über welche Kenntnisse verfügt, so käme die Unterstellung einer der juristischen Person bzw. ihrem Organ zuzurechnenden billigenden Inkaufnahme der Schädigung ohne diesbezügliche Feststellung einer Fiktion gleich (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, VI ZR 536/15, NJW 2017, 250). Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente des Vorsatzes müssen deshalb kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2019 – 10 U 134/19, WM 2019, 1704). Der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ wird dabei über den Wortlaut des § 31 BGB hinaus weit im Sinne eines Repräsentanten des Unternehmens ausgelegt. Es genügt, dass einer Person durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind und sie die juristische Person insoweit repräsentiert (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 1971 – VI ZR 122/70, NJW 1972, 334; OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Juli 2019 – 10 U 134/19, WM 2019, 1704; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510 ff).
77bb) Der Senat hat auf der Grundlage der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen die Überzeugung gewonnen, dass die Entwicklung der Software mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstandes der Beklagten bzw. deren verfassungsmäßig berufenen Vertreter erfolgte und dieser somit gemäß § 31 BGB zurechenbar ist. Ebenso ist davon auszugehen, dass die verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten dabei in der Vorstellung handelten, dass die mit der sog. Umschaltlogik ausgestatteten Motoren in Fahrzeuge der Beklagten oder deren Tochtergesellschaften eingebaut und für diese unter Täuschung der zuständigen Behörde die EG-Typengenehmigung beantragt würde, obwohl die materiellen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, und die Fahrzeuge sodann an ahnungslose Kunden veräußert werden würden.
78(1) Dass die unzulässige Abschalteinrichtung bzw. „Umschaltlogik“ von der Beklagten für die Motorserie EA 189 EU 5 willentlich entwickelt und eingesetzt wurde, steht außer Frage. Sie war weder die Folge einer versehentlichen Fehlleistung noch gar zufälliger Natur, was von der Beklagten selbst so auch nicht behauptet wird. Die Umschaltlogik ist von Mitarbeitern der Beklagten vielmehr bewusst und in Kenntnis deren Funktionsweise in die Motorsteuerung sämtlicher Motoren der neu entwickelten Generation EA 189 EU 5, die konzernweit in Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen sollte, integriert worden. Denn das Programmieren der Motorsteuerungssoftware setzt denknotwendig eine aktive, im Hinblick auf das Ergebnis gewollte präzise Eingabe voraus und schließt die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes aus (vgl. ebenso: OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Dies gilt umso mehr, als unstreitig bei allen Motoren der Serie EA 189 ausnahmslos die Manipulation festzustellen ist.
79Es kann für die Frage der Zurechenbarkeit zudem nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte ein Weltkonzern ist, der nach bestimmten betriebshierarchischen Organisationsstrukturen aufgebaut ist und über gesicherte Informationsflüsse zwischen den einzelnen Ebenen (Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Entscheidung) verfügen muss. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß zu organisieren und zu führen (sog. Compliance). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte geht der Senat deshalb davon aus, dass die Beklagte ihre Betriebs- und Verwaltungsorganisation an den gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet und daher gemäß § 91 Abs. 2 AktG ein Überwachungssystem implementiert hat (Einrichtung von Innenrevision und Controlling), um Fehlentwicklungen früh zu erkennen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden. Zu bestandsgefährdenden Entwicklungen in diesem Sinne gehören aber auch Verstöße von Organmitgliedern und Unternehmensangehörigen gegen gesetzliche Vorschriften (vgl. Spindler in Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 52 zu § 91 AktG; LG Wuppertal, Urteil vom 16. Januar 2018, 4 O 295/07 zitiert nach juris; Landgericht Dortmund, Urteil vom 12. März 2018, 7 O 136/17; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272). Im Hinblick hierauf darf aber angenommen werden, dass auch bei der Beklagten entsprechende organisatorische Vorsorgemaßnahmen in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen bestehen und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet werden. Ohne strukturierte Arbeits- und Verhaltensanweisungen, die Dokumentation der Arbeitsführung und ein hierauf bezogenes Kontrollsystem wäre ein Unternehmen wie das der Beklagten nicht zu führen (vgl. OLG Koblenz, Urteil 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237). Hat die Beklagte aber ein entsprechendes Überwachungssystem eingerichtet, liegt es nahe, dass die damit verbundenen Prüfungs- und Genehmigungspflichten ebenso wie die korrespondierenden Berichtspflichten bis in die Führungsebene der Beklagten reichten, zumal die Beeinflussung der Motorensteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den sog. NEFZ-Prüfstand eine wesentliche Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern darstellt, die eine solche Berichtspflicht auszulösen vermag. In Anbetracht der ISO-Zertifizierung und der üblichen umfangreichen konzerninternen Controlling-Vorgänge erscheint es dagegen fernliegend, dass der Vorstand keinerlei Kenntnis von der Entwicklung der hier streitbefangenen Motorsteuerungssoftware gehabt haben soll (vgl. ebenso: LG Mönchengladbach, Urteil vom 11. Juli 2007, 1 O 320/16 zitiert nach jurs; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272). Dass das planmäßige und systematische Herstellen und Inverkehrbringen rechtswidrig konstruierter Produkte in dem hier vorliegenden Ausmaß dem kognitiven Horizont der verfassungsmäßig berufenen Vertreter gänzlich entgangen sein könnte und lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben wäre, hält der Senat im Hinblick auf die Unternehmensstruktur der Beklagten danach für wenig überzeugend (vgl. ebenso: OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272; Heese, Herstellerhaftung für manipulierte Diesel-Kraftfahrzeuge, NJW 2019, 257, 260). Diese Vermutung wird noch zusätzlich durch den Umstand verstärkt, dass die Software durch einen Zulieferer (Firma Bosch) programmiert und geliefert wurde. Insoweit ist in einem ordnungsgemäß geführten Unternehmen aber zu erwarten gewesen, dass die Anforderungen an die Software mit der Bestellung in einer Leistungsbeschreibung niedergelegt sind. Weil es sich bei der Motorsteuerung um das Kernstück des Motors handelt, widerspricht es jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass die Führungsebene hierin nicht eingebunden war (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris). Gerade auch die Heimlichkeit des Vorgehens der Beklagten bei Einsatz der kritischen Softwarefunktion, insbesondere dass diese dem Kraftfahrtbundesamt gegenüber nicht zur Prüfung der Genehmigungsfähigkeit offengelegt wurde, lässt den Schluss zu, dass die Beteiligten damit rechneten, eine solche Offenlegung werde zu Schwierigkeiten hinsichtlich der EG-Typengenehmigung führen und potenzielle Kunden würden in Kenntnis der Software vom Kauf eines mit derartigen rechtlichen Unsicherheiten belasteten Fahrzeug Abstand nehmen. Denn es ist anderenfalls nicht erklärlich, warum die Beklagte die Vorgänge überhaupt geheim gehalten hat, wenn sie ihr Vorgehen als rechtmäßig eingeordnet hätte. Im Gegenteil begründet gerade dies die Vermutung für ein vorsätzliches Vorgehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18, Rdn. 26; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019, 13 U 142/18, Rdn. 67 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237).
80(2) Zur Kenntnis des Vorstands bzw. der verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten hat der Kläger im Rahmen des ihm Möglichen überdies hinreichend substantiiert vorgetragen. Diesem klägerischen Vorbringen ist die Beklagte dagegen nur unzureichend mit einem einfachen Bestreiten entgegengetreten, so dass es letztlich als zugestanden zu behandeln ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Der Geschädigte trägt zwar grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen der Haftungsnorm. Die Beklagte trifft hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidungsprozesse jedoch hier eine sekundäre Darlegungslast, der sie indessen nicht ausreichend nachgekommen ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18, zitiert nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 05. Dezember 2018 – 14 U 60/18 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 20 zitiert nach juris).
81Eine sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der primär darlegungs- und beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der bestreitende Gegner alle wesentlichen Tatschen kennt und es ihm auch zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der primär darlegungspflichtigen Partei darf sich in diesem Fall nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzustellenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben auch zumutbar sind (vgl. BGHZ 140, 156, 158 ff; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2014 – V ZR 45/13, Rdn. 22).
82Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die sekundäre Darlegungslast der Beklagten wurde durch einen hinreichend substantiierten Primärvortrag der Klägerseite ausgelöst. Der klägerische Vortrag erfolgte nicht ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein.
83Der Kläger hat – unter Verweis auf Veröffentlichungen in der Presse, öffentliche Äußerungen der Beklagten und weiterer beteiligter Unternehmen und zu konzerninternen Controllingvorgängen – ausreichend detailliert dargelegt, woraus sich aus seiner Sicht eine Kenntnis einzelner Vorstandsmitglieder der Beklagten von dem hier in Rede stehenden Vorgängen ergibt. In diesem Zusammenhang hat er auch einzelne Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter der Beklagten benannt, die seiner Auffassung nach Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatten und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst haben. Außerdem hat sich der Kläger auf die von der Firma Robert Bosch GmbH ausgesprochene Warnung bezüglich der Missbrauchsmöglichkeit der Software bezogen und insofern vorgetragen, dass ein solches Hinweisschreiben auch vom Vorstand der Beklagten wahrgenommen worden sein müsse. Darüber hinaus hat die Klägerseite unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte gegenüber den US-amerikanischen Behörden bzw. Gerichten die eigene Verantwortlichkeit verbindlich eingeräumt hat (vgl. Statement of facts als Teil des Plea Agreement – Anlage K 2). Da der Kläger aber selbst keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge und Betriebsabläufe bei der Beklagten hat, war er insoweit auf Veröffentlichungen in den Medien und allgemein zugängliche Dokumente angewiesen.
84Demgegenüber wäre es der Beklagten ohne Weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse konkret darzulegen. Sie hätte im Einzelnen erläutern müssen, wie es zu der Planung und dem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstandes gekommen sein könnte. Im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast hat die Beklagte zumindest bezogen auf die Entwicklung und Implementierung der streitgegenständlichen irregulären Motor- bzw. Abgassteuerungssoftware ihre interne Organisationsstruktur einschließlich Genehmigungs-, Budget- und Compliance-Verantwortlichkeiten wiederum einschließlich zugehöriger Berichtspflichten und Berichtswege darzustellen. Dies hat sie indessen versäumt.
85Soweit sich die Beklagte dagegen im Wesentlichen darauf zurückzieht, dass die Ermittlungen, welche unter anderem durch externe Kanzleien geführt würden, noch andauern würden und bisher keine validen Erkenntnisse dafür vorlägen, dass Vorstandsmitglieder von der streitgegenständlichen Software Kenntnis hatten oder ihre Entwicklung veranlasst hätten, kann dies den im Rahmen einer sekundären Darlegungslast an ein qualifiziertes Bestreiten zu stellenden Anforderungen nicht genügen (vgl. ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, Rdn. 114; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510). Das Vorbringen der Beklagten ist gerade vor dem Hintergrund der von ihr selbst angeführten umfangreichen Ermittlungen viel zu vage und unbestimmt, da sie noch nicht einmal die maßgeblichen Entscheidungsketten, innerhalb deren die Motorenentwicklung stattfand, offengelegt hat. Es fehlt ein konkreter Vortrag zu den Ergebnissen der internen Ermittlungen. Der sog. Dieselabgas-Skandal ist in der Öffentlichkeit bereits seit September 2015 bekannt. Angesichts des Zeitablaufes von nunmehr vier Jahren seit dem öffentlichen Bekanntwerden der Softwaremanipulation ist die Behauptung, dass trotz intensiver Ermittlungen noch keine Erkenntnisse über die Einbindung von Vorstandsmitgliedern bzw. verfassungsmäßigen Vertretern vorlägen, nicht überzeugend. Die Beklagte legt insoweit auch weder dar, welche konkreten Aufklärungsmaßnahmen, zu denen sie allein schon aus Compliance-Gesichtspunkten verpflichtet ist, bislang überhaupt unternommen wurden und woraus sich im Einzelnen ihre Einschätzung ergibt, dass die bisherigen Untersuchungen keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Vorstands ergeben, noch welche weiteren internen Aufklärungsmaßnahmen sie zusätzlich durchführen müsste. Die Beklagte trägt im Übrigen auch nicht konkret vor, dass und wie einzelne, nicht von § 31 BGB erfasste Mitarbeiter unter Ausschluss des Vorstandes über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg die pflichtwidrige Software angeblich beauftragen, bezahlen und verwenden konnten und weshalb sie dies am Vorstand der Beklagten vorbei hätten tun sollen.
86Im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast hat es der Beklagten aber oblegen, unter Umständen in zumutbarem Umfang Nachforschungen anzustellen und im eigenen Unternehmensbereich entsprechende Erkundigungen einzuholen. Sollte es ihr nicht möglich und zumutbar sein, eine abschließende Klärung herbeizuführen, genügt es im Übrigen nicht, über das Scheitern zu informieren, sondern sie hat konkret mitzuteilen, welche Kenntnisse sie dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 m.w.N. zitiert nach juris). Auch daran fehlt es hier.
87Zu einer substantiierten Darlegung durch die Beklagte hat hier umso mehr Anlass bestanden, als es sich bei der Einführung einer manipulierten Motorsteuerungssoftware um eine wesentliche strategische Entscheidung von enormer wirtschaftlicher Reichweite und ebenso großen Risiken handelt, bei der kaum anzunehmen sein wird, dass sie von einzelnen am unteren Ende der Betriebshierarchie angesiedelten Entwicklern in eigener Verantwortung getroffen worden ist, zumal der Motor das Herzstück eines jeden Fahrzeuges ist. In Anbetracht der Tragweite dieser Maßnahme erscheint es vielmehr fernliegend, dass der Vorstand der Beklagten in den diesbezüglichen Entscheidungsprozessen über den millionenfachen Einbau der Software nicht einbezogen gewesen sein soll (vgl. ebenso OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18, zitiert nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 21 zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 9. Februar 2018 – 7 O 212/16, zitiert nach juris; Landgericht Hildesheim, Urteil vom 17. Januar 2017 – 3 O 139/16 zitiert nach juris; Landgericht Bielefeld, Urteil vom 16. Oktober 2017 – 6 O 149/16 zitiert nach juris). Außerdem ist nicht erklärbar, warum der Konzern der Beklagten in den Vereinigten Staaten von Amerika umfassende Schuldanerkenntnisse im Rahmen von Vergleichsvereinbarungen (Plea-Agreement, Anlage K 2), mit den beträchtliche Strafen und zivilrechtliche Bußgelder gezahlt werden, abgegeben hat, wenn tatsächlich auf Vorstandsebene niemand von dem Software-Einsatz gewusst haben sollte. Jedenfalls im Hinblick hierauf hätte die Beklagte konkret darlegen müssen, von wem die Entscheidungen zum Softwareeinsatz getroffen worden sind und warum dies ohne Einbeziehung der Vorstandsebene möglich gewesen sein soll (vgl. ebenso Landgericht Dortmund, Urteil vom 12. März 2018, – 7 O 136/17 zitiert nach juris).
88Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte im streitgegenständlichen Fall gegen die ihr obliegende sekundäre Darlegungslast auch nicht mit Erfolg argumentieren, dass diese angesichts der von ihr bestrittenen Kenntnis der Vorstandsmitglieder letztlich zu einer Umkehrung der Regelungen zur Darlegungslast führe, weil sie im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nunmehr zu einer negativen Tatsache – nämlich der nicht vorhandenen Kenntnis ihrer Vorstandsmitglieder – vortragen müsste, obwohl selbst im Rahmen der primären Darlegungslast für den Vortrag zu negativen Tatsachen Erleichterungen gelten. Ihr wird nicht etwa die Darlegung negativer Tatsachen auferlegt, sondern die konkrete Behauptung von Umständen zu den Geschehensabläufen und Entscheidungsprozessen im Zusammenhang mit der Entwicklung der Umschaltlogik. Insoweit verkennt sie, dass nur sie zu den unternehmensinternen Abläufen vortragen kann, während dem geschädigten Kläger die Aufdeckung interner Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und verantwortlicher Entscheidungsträger weder möglich noch zumutbar ist (vgl. ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/19 zitiert nach juris; Landgericht Heilbronn, Urteil vom 2. Mai 2018 – 6 O 401/17 zitiert nach juris).
89(3) Vom Vorsatz der Beklagten war insbesondere auch die Schadenszufügung erfasst, zumal der Schädiger nicht im Einzelnen zu wissen braucht, welche und wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Er muss vielmehr nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gebilligt haben (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 zitiert nach juris). Für die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten war aber aufgrund der Kenntnis vom Einbau der Software ohne Weiteres ersichtlich, dass damit Kunden Fahrzeuge erwerben würden, welche objektiv mangelhaft waren und deshalb nicht deren Vorstellungen entsprachen. Die sich hieraus ergebende Schädigung der Kunden haben die berufenen verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten auch zumindest billigend in Kauf genommen. Dabei ist unerheblich, dass die Beklagte an dem Erwerb des hier streitgegenständlichen Gebrauchtfahrzeuges weder unmittelbar noch über einen Händler beteiligt war. Denn die Kenntnis einer der Unternehmensleitung angehörenden Person von der serienmäßigen rechtswidrigen Verwendung der Software schließt zwangsläufig die Billigung der Schädigung sämtlicher Erst- und Folgeerwerber der damit ausgestatteten Fahrzeuge ein (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19). Die mit der streitgegenständlichen Software ausgestatteten Fahrzeuge hat die Beklagte nämlich gerade mit dem Zweck produziert, diese entweder selbst zu veräußern oder aber ihren Vertragshändlern zur Weiterveräußerung an Dritte zur Verfügung zu stellen. Für ihre verfassungsmäßig berufenen Vertreter stand dabei zugleich fest, dass die so ausgerüsteten und in Verkehr gebrachten Fahrzeuge auf dem Fahrzeugmarkt im Folgenden von dem Ersterwerber gebraucht weiterveräußert werden ohne jeglichen Hinweis auf die Erwirkung des Typengenehmigung unter Einsatz einer manipulativ wirkenden Software mit zwei Betriebsmodi. Die damit verbundenen Vermögensnachteile beim Zweit- oder Dritterwerber haben die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten ebenfalls billigend in Kauf genommen.
902. Selbst wenn der Senat ein Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne bzw. ein verfassungsmäßiger Vertreter im Sinne des § 31 BGB den serienmäßigen Einsatz der Manipulationssoftware nicht gekannt und gebilligt hätte, stünde dem Kläger gegen die Beklagte aber zumindest ein gleichartiger Schadensersatzanspruch aus §§ 831 Abs. 1 S. 1, 826 BGB zu (vgl. zum Anspruchsgrund und dem Gesichtspunkt der Wahlfeststellung: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18zitiert nach juris; zu: LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272).
91Denn die Entwicklung und Freigabe des Motors samt der unzulässigen Abschalteinrichtung für die Serienproduktion erfolgte zumindest auf der Arbeitsebene unterhalb der Repräsentanten. Es muss bei der Beklagten denknotwendig einen oder mehrere weisungsgebundene Entwicklungsingenieure gegeben haben, die von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung Kenntnis hatten. Diese Mitarbeiter sind aber als Verrichtungsgehilfen im Sinne von § 831 BGB anzusehen.
92Sie haben den Kläger gemäß § 826 BGB vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Denn auch den unmittelbar mit der Motorenentwicklung betrauten weisungsgebundenen Mitarbeitern musste bereits aufgrund der Funktionsweise der Software klar sein, dass es sich um eine Umgehung der Emissionsvorschriften handelte und der Einsatz der Software mithin rechtswidrig war. Hierfür bedurfte es keiner komplizierten rechtlichen Prüfung. Wenn man unterstellt, dass die handelnden Ingenieure die Leitungsebene nicht eingebunden haben – anderenfalls haftet die Beklagte nach §§ 826, 31 BGB -, obwohl es sich um eine wesentliche Strategieentscheidung für die neue Motorengeneration handelte, für die regelmäßig nicht eine nachgeordnete Ebene die Verantwortung trägt, ließe dies nur den Schluss zu, dass ihnen die Problematik der Software bewusst war und sie deshalb die Verwendung verheimlichten (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; zu: LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272). Den Entwicklungsingenieuren war dabei auch klar, dass der Motor samt der unzulässigen Abschalteinrichtung mit Beginn der Serienfertigung in Fahrzeugen mit EG-Typengenehmigung Verwendung finden würde. Damit nahmen sie auch eine Schädigung der jeweiligen Fahrzeugerwerber billigend in Kauf, da ihnen bewusst sein musste, dass bei Aufdecken der Manipulation mit behördlichen Maßnahmen zu rechnen war.
93Der hier festgestellte Schaden trat im Übrigen gerade bei „Ausführung der Verrichtung“ ein. Denn selbst vorsätzliche unerlaubte Handlungen des Verrichtungsgehilfen stehen noch dann im unmittelbaren Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen, wenn sie – wie hier – gerade die übertragene Hauptpflicht verletzen (vgl. BGH, Urteil vom 12.06.1997 – I ZR 36/95; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris).
94Den nach § 831 Abs. 1 S. 2 BGB der Beklagten obliegenden Entlastungsbeweis hat sie nicht geführt.
953. Dem Kläger ist nach alledem der unter den Voraussetzungen des § 826 BGB verursachte Vermögensschaden nach §§ 249 ff. BGB zu ersetzen. Die Beklagte hat ihn so zu stellen, wie er ohne die Täuschung über die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware gestanden hätte (negatives Interesse). Dies bedeutet im Streitfall, dass der Kläger von der ungewollt eingegangenen Verbindlichkeit, nämlich dem Vertrag über den Kauf des streitgegenständlichen Pkw, zu befreien ist. Denn es ist davon auszugehen, dass er bei Kenntnis des Sachverhaltes und der damit verbundenen Risiken für den Fortbestand der Betriebserlaubnis den Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW VW Tiguan nicht geschlossen hätte. Hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen, wäre er aber zur Kaufpreiszahlung nicht verpflichtet gewesen. Die Beklagte muss danach die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW erstattet.
96Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis i.H.v. 25.490,00 € muss sich der Kläger allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs eine Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, weil anderenfalls eine vom Schadensersatzrecht nicht gedeckte Überkompensation eintreten würde (schadensrechtliches Bereicherungsverbot, vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, Rdn. 114; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 33 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. März 2019 – 16 U 146/18 zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 70/18 zitiert nach juris; LG München, Urteil vom 29. März 2019 – 13 O 5153/18 zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272; Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105; a.A.: Heese, NJW 2019, 257, 261; Bruns, Vorteilsanrechnung beim Schadensersatz für abgasmanipulierte Diesel-Fahrzeuge, NJW 2019, 801). Denn er hat den Pkw über einen mehrjährigen Zeitraum genutzt und auf diese Weise einen geldwerten Vorteil erlangt. Er hätte sich ohne den inkriminierten Vertragsschluss am Markt anderweitig ein gebrauchsfähiges Fahrzeug gegen ein Entgelt besorgen müssen und hat insofern die Aufwendungen für ein anderes Fahrzeug erspart. Dass er diese im Fall einer schadensersatzrechtlichen Rückabwicklung herauszugeben hat, folgt aus den allgemeinen Grundsätzen der Vorteilsausgleichung.
97a) Soweit der Kläger Einwände gegen die Berücksichtigung der gezogenen Nutzungen des Fahrzeuges als Abzugsposition vorbringt, vermögen diese im Ergebnis nicht zu überzeugen. Auch in Anbetracht einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist der Vorteilsausgleich nicht unbillig.
98Wie der Kläger zutreffend ausführt, sind Wegfall oder Minderung des Schadens nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nur insoweit zu berücksichtigen, als sie in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang zu dem schädigenden Ereignis stehen. Außerdem muss die Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entsprechen und darf weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (vgl. BGH, Teilurteil vom 15. Juli 2010 – III ZR 336/08, BGHZ 186, 205; BGH, Versäumnisurteil vom 12. März 2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060; BGH, Urteil vom 22. März 1979 – VII ZR 259/77 – BGHZ 74, 103, 113 f; BGH, Urteil vom 21. Dezember 1989 – III ZR 118/88 – BGHZ 109, 380, 392). Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise mithin gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 12. März 2007 – II ZR 315/05, ZIP 2007, 1060). Eine Anrechnung der Nutzungsvorteile aus dem jahrelangen Gebrauch des Pkw steht diesen Anforderungen auch unter Berücksichtigung der gebotenen wertenden Betrachtung nicht entgegen.
99Anders als der Kläger meint, führt die Anrechnung der gezogenen Nutzungsvorteile insbesondere nicht zu einer unbilligen Entlastung der Schädigerin. Der Kläger verkennt, dass die deutsche Zivilprozessordnung als Rechtsfolge einer unerlaubten Handlung nur den Schadensausgleich nach §§ 249 ff. BGB, nicht aber eine Bereicherung des Geschädigten vorsieht. Die Schadensersatzleistung dient auch nicht der Bestrafung des Schädigers. Es ist nicht Aufgabe des Schadensrechts das Verhalten des Schädigers in einer über die faktische Rückabwicklung hinausgehenden Weise zu sanktionieren. Die Sanktionierung und – im Rahmen des Schuldangemessenen – die Abschreckung sind mögliche Ziele des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, dem Zivilrecht jedoch fremd. Eine andere Sichtweise – wie sie beispielsweise im US-amerikanischen Recht gilt – widerspricht dem im deutschen Recht geltenden Bestrafungsmonopol des Staates mit den dafür vorgesehenen besonderen Verfahrensgarantien (vgl. ebenso: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 – NJW 2019, 2237; Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105). Der Käufer eines betroffenen Fahrzeuges hatte im Übrigen auch zu keinem Zeitpunkt die Erwartung, seinen Pkw unentgeltlich nutzen zu können, ohne das Risiko einer Abnutzung bzw. des Wertverlustes tragen zu müssen. Die Anrechnungen der gezogenen Nutzungen entspricht insoweit aber dem Zweck des Schadensersatzes (vgl. Rhiem, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105).
100Dass die Beklagte, wie sie selbst eingeräumt hat, mit dem Software-Update die Abgasreinigung so programmiert hat, dass sich ein Thermofenster ergibt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit die Beklagte hierin einen neuen, schwerwiegenden Betrug sieht und meint, dass aus Wertungsgründen nunmehr erst recht etwaige anrechenbare Nutzungen zu versagen seien, kann diese Argumentation nicht überzeugen. Denn sie beruht wiederum auf dem Gedanken eines Strafschadensersatzes, der dem Zivilrecht jedoch fremd ist.
101Schließlich fehlt es aber auch an einer unbilligen Belastung des Geschädigten: Dieser muss sich ausschließlich den Wert der tatsächlich gezogenen Nutzungen entgegen halten lassen, nicht etwa zusätzlich einen Wertverlust durch Alterung oder Ähnliches (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris). Die Berechnung des Vorteilsausgleichs dient insofern allein dem Zweck, die tatsächlich dem Geschädigten zugeflossenen Nutzungsvorteile im Sinne des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots abzuschöpfen. Der von dem Kläger gezogene Nutzungsvorteil ist im Übrigen keiner, der ohne das schädigende Ereignis bei diesem verblieben wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 – NJW 2019, 2237).
102b) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichen Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO zu ermitteln (vgl. BGH NJW 1995, 2159; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rdn. 3562). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeuges verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Bei gebrauchten Kraftfahrzeugen ist der Kaufpreis mit der voraussichtlichen Restfahrleistung ins Verhältnis zu setzen und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers zu multiplizieren. Abzustellen ist mithin insoweit auf die voraussichtliche Restlaufzeit im Erwerbszeitpunkt. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bis zur Rückgabe des Fahrzeuges (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage, Rdn. 1167, 1186, 3564).
103Das Fahrzeug des Klägers wies zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 06. September 2019 unstreitig eine Laufleistung von 135.860 km auf. Der Senat schätzt die Gesamtlaufleistung des Dieselfahrzeuges gemäß § 287 Abs. 1 ZPOauf 300.000 km (vgl. ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Köln, Beschluss vom 03. Januar 2019 – 18 U 79/18, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19, Rdn. 34 zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 17. Januar 2019 – 23 O 180/18, BeckRS 2019, 272). Der Kläger hat mit dem streitbefangenen Pkw dementsprechend 73.800 km zurückgelegt, da der Kilometerstand bei Vertragsschluss 62.060 km betrug. Mit Rücksicht darauf, dass es sich hier um ein Gebrauchtfahrzeug handelt, ist die voraussichtliche Restlaufleistung als Devisor in Ansatz zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 – VIII ZR 70/94, NJW 1995, 2159; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rdn. 3564). Die erwartete Restlaufleistung betrug im Erwerbszeitpunkt 237.940 km (300.000 km – 62.060 km). Der anzurechnende Gebrauchsvorteil berechnet sich danach wie folgt:
„Bruttokaufpreis × gefahrene km/voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt = 25.490 Euro × 73.800 km/237.940 km = 7.906,04 Euro.“
104Dem Kläger ist nach alledem Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitbefangenen Pkw ein Kaufpreis in Höhe von 17.583,96 Euro zu erstatten.
1054. a) Der Zinsanspruch des Klägers ist – so wie geltend gemacht – seit Rechtshängigkeit unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB bzw. nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.
106b) Eine Verzinsung in Höhe von 4 % aus dem Kaufpreis als zu ersetzender Gesamtschadensbetrag zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses nach § 849 BGB kann der Kläger hingegen nicht geltend machen.
107Zwar wendet der Bundesgerichtshof § 849 BGB grundsätzlich auch auf die deliktisch veranlasste Weggabe von Geld in Form einer Überweisung an (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084). Der Normzweck der Regelung besteht insoweit darin, dem Verletzten einen Mindestbetrag zur Kompensation der erlittenen Einbußen an Nutzungsmöglichkeiten zu gewähren, gewissermaßen einen pauschalierten Ersatz für entgangene Nutzungen der Sache. Aus § 849 BGB folgt dagegen kein allgemeines Prinzip, wonach Ansprüche aus unerlaubter Handlung unabhängig vom Vorliegen des Verzuges stets zu verzinsen seien (vgl. BGH, NJW 2018, 2479, Rdn. 45; Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105). Im Streitfall darf nämlich nicht verkannt werden, dass der Kläger für die Weggabe des Geldes bei Bezahlung des Kaufpreises einen wirtschaftlichen Gegenwert erhalten hat, nämlich Eigentum und Besitz an dem streitbefangenen Pkw VW Tiguan. Soweit aber der Geschädigte – wie auch hier der Kläger – einen faktisch nutzbaren Ersatz für sein überwiesenes Geld erhalten hat, besteht für § 849 BGB kein Raum (vgl. LG München, Urteil vom 29. März 2019 – 13 O 5153/18 zitiert nach juris; Riehm, Deliktischer Schadensersatz in den „Diesel-Abgas-Fällen“, NJW 2019, 1105).
1085. Das mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte Feststellungsbegehren des Klägers ist nach § 256 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 756 Abs. 1 ZPO zulässig und begründet. Der Senat vermag festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitbefangenen PKW VW Tiguan in Annahmeverzug befindet.
109Die Beklagte geriet mit Ablauf der ihr im vorprozessualen anwaltlichen Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Juni 2017 gesetzten Frist in Annahmeverzug gemäß §§ 293, 298, 295 BGB. In diesem Schreiben ließ der Kläger die Beklagte zur Zahlung des als Hauptforderung geltend gemachten Schadensbetrages abzüglich der berechneten Nutzungsentschädigung auffordern und bot zugleich Zug um Zug die Bereitstellung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zur Abholung an. Darin liegt ein wörtliches Angebot im Sinne des § 295 BGB, das der tatsächlich geschuldeten Leistung im Wesentlichen entspricht.
1106. Der auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klageantrag zu Ziffer 3) besteht dem Grunde nach aus §§ 826, 249 BGB, der Höhe nach jedoch nur im reduzierten Umfang.
111Die Kosten der Rechtsverfolgung sind als Teil des aus § 826 BGB folgenden deliktischen Schadensersatzanspruches dem Grunde nach ohne Weiteres ersatzfähig, weil die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation erforderlich und zweckmäßig war. Der Kläger durfte sich angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage zur Geltendmachung seiner Schadensersatzansprüche auch vorgerichtlicher anwaltlicher Unterstützung bedienen.
112Ersatzfähig sind dabei die Rechtsanwaltsgebühren, die nach der gesetzlichen Berechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz für die zur Rechtsverfolgung erforderliche Tätigkeit tatsächlich angefallen sind. Der Höhe nach kann die Klägerin die Anwaltskosten aber nur nach einem Gegenstandswert von 21.854,08 Euro verlangen, weil der Nutzungsvorteil vom Schadensersatzanspruch abzuziehen ist, ohne dass es hierfür einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (vgl. BGH NJW 2015, 3160).
113Ihren eigenen Angaben zufolge betrug die Laufleistung des streitgegenständlichen Pkw zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage am 14. März 2018 96.000 km, so dass sich der abzugsfähige Nutzungsvorteil wie folgt berechnet hat (vgl. Berechnung des Klägers auf Seite 29 der Klageschrift vom 14. März 2018):
25.490,00 Euro × 33.940 km (96.000 – 60.060 km) : 237.940 km (300.000 km – 62.060 km) = 3.635,92 Euro
114Das dem Kläger zu erstattende Anwaltshonorar berechnet sich aus einem Gegenstandswert in Höhe von 21.854,08 Euro danach wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG, §§ 13, 14 RVG | 964,60 Euro |
Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG | 20,00 Euro |
Zwischensumme | 984,60 Euro |
Mehrwertsteuer 19 % | 187,07 Euro |
Endsumme | 1.171,67 Euro |
115Der Zinsanspruch folgt insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
1167. Der auf Feststellung einer Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche weitere Schäden gerichtete Klageantrag zu 3) ist nicht nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
117Der Senat vermag ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Klägers an einem weitergehenden Feststellungsbegehren neben dem auf Rückabwicklung gerichteten Leistungsantrag zu 1) nicht zu erkennen. Bei reinen Vermögensschäden, die Gegenstand der Klage sind, hängt die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes ab (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 197/12, zitiert nach juris; Rdn. 11; BGH, Urteil vom 24. Januar 2006 – XI ZR 384/03, zitiert nach juris, Rdn. 27; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, zitiert nach juris). In diesen Fällen ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein erst künftig aus dem Rechtsverhältnis erwachsender Schaden angenommen werden kann. Für die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Schadenseintritts hat der Kläger hier indessen keine hinreichenden Beurteilungsgrundlagen vorgetragen. Er hat nicht ansatzweise dargetan, dass ihm aus der Verletzungshandlung der Beklagten über den bereits zuerkannten Ersatzbetrag hinaus unabhängig von der Rückabwicklung des Kaufs auch noch zukünftig weitere Schäden drohen könnten und worin diese derzeit noch nicht bezifferbaren weiteren Schadensfolgen zu erblicken seien.
1188. Soweit der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung vom 06. September 2019 einen Schriftsatznachlass auf das Vorbringen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 2. September 2019 zum Thermofenster nach § 283 ZPO beantragt hat, ist dem nicht zu entsprechen gewesen. Die Voraussetzungen für ein Schriftsatzrecht des Klägers nach § 283 ZPO liegen hier nicht vor. Denn die Beklagte hat mit ihrem Vorbringen zum Thermofenster keineswegs ein neues entscheidungserhebliches Angriffs- oder Verteidigungsmittel in den Prozess eingeführt, auf das dem Kläger in tatsächlicher Hinsicht ein Erwiderungsrecht eingeräumt werden müsste. Die Beklagte hat vielmehr lediglich die Behauptung des Klägers unstreitig gestellt, dass sie im Zusammenhang mit dem Software-Update die Abgasreinigung so programmiert hat, dass sich hieraus ein Thermofenster ergibt.
119Die Ausführungen des Klägers aus dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 16. September 2019 hat der Senat zur Kenntnis genommen. Das schriftsätzliche Vorbringen des Klägers gibt dem Senat jedoch keine Veranlassung, die geschlossene mündliche Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO wieder zu eröffnen.
III.
120Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
121Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
122Der Senat lässt die Revision gegen das Urteil zu, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), und es darüber hinaus auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer höchstrichterlichen Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung hat im Hinblick auf die enorme Anzahl der bundesweit gegen die Beklagte anhängigen Schadensersatzklagen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510). Zudem wird die Haftung der Beklagten gemäß § 826 BGB in der obergerichtlichen Rechtsprechung kontrovers beurteilt: bejahend: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18, WM 2019, 1510; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18, NJW 2019, 2237; OLG Köln, Beschluss vom 29. April 2019 – 16 U 30/19, zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 01. Juli 2019 – 27 U 7/19; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 zitiert nach juris; verneinend: OLG Braunschweig, Urteil vom 19. Februar 2019 – 7 U 134/17, zitiert nach juris).
123Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 63, 47 Abs. 1 S. 1, 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO.